Kapitel Fünfundzwanzig


Er erwachte gegen Mittag, ohne sich an seine Träume näher erinnern zu können. Er war sich sicher, daß Pallys darin vorgekommen war, aber er wußte nicht mehr, was er mit ihm besprochen oder getan hatte.

Pallys.

Der Verlust des Kaninchens saß tief in seinen Knochen - sein alter Lehrer, sein Freund, der Fellige mit den tausend Büchern, der Gelehrte von Sookandil, der Unsterbliche. Aber nach allem, was geschehen war, konnte er keine Tränen mehr aufbringen. Er war froh, überlebt zu haben.

Der letzte Plan Khezzarriks war gescheitert. Der Bann lag nicht mehr auf Khiray, das Spiel der Dämonen war verdorben. Beladanar hatte sein Ende gefunden. Galbren war allein. Nur mit seinen angeworbenen Soldaten konnte der Gouverneur den Drunfürsten nicht stürzen, und sobald Kooradah von seinem Verrat erfuhr, würde Galbren seinen Posten, wahrscheinlich auch sein Leben verlieren. Die Wahrheitsfinder bei Hofe würden dafür sorgen, daß jede Einzelheit der ganzen Intrige ans Licht kam. Wenn Galbren klug war, verließ er den Armygan sofort. Nun, da er seiner dämonischen Unterstützung beraubt war, hatte er ausgespielt.

Aber Khiray hatte das Gefühl, als sei es noch nicht vorbei. Khezzarrik konnte in der Sicherheit der Hölle weitere Heimtücke planen. Es würde Tor nicht gefallen, daß er und Saljin sich vor Beladanars Grausamkeit bewahrt hatten, und daß ihre anderen Gefährten noch am Leben waren. Erst Khirays Tod würde den Pakt beenden und es Khezzarrik erlauben, diese Welt wieder zu betreten.

Wollte Khezzarrik das? Oder hatten die Pläne des Dämons doch irgendwo ein Ende, gab es irgendwo einen Punkt, über den Tor nicht hinausgeplant hatte? Er konnte Khirays natürliches Ende abwarten. Khezzarrik war auf Beladanars Rang vorgerückt und hatte sicherlich genug damit zu tun, seine neue Position in der Hölle zu festigen. Welches Interesse hatte er gegenwärtig an anderen Ebenen und Sphären?

Doch Khiray konnte sich nicht sicher sein. Und selbst wenn Khezzarrik aus dem Spiel war, Galbren war es nicht. Beladanar war der Stimme der Vernunft und des Überlebens nicht gefolgt und hatte sein Ende von der Hand des Erzengels geradezu gesucht. Vielleicht würde auch der Gouverneur ähnlich reagieren und die 'Silberne Ansicc' verfolgen.

Nein, er konnte sich nicht mit Möglichkeiten und Vermutungen abgeben. Er ballte die Fäuste. Spekulationen führten zu nichts. Er würde mit Galbren schon fertigwerden. Immerhin war der Gouverneur nur ein Wolf, ein Felliger, nicht ein von Grausamkeit und Sadismus beherrschter Dämon.

Khiray beugte sich über Saljin. Die Fuchstaurin atmete schwer. Er fühlte nach ihrer Stirn. Zweifellos hatte sie Fieber. Wenn die Dämonenklauen giftig gewesen waren, pulsierte dieses Gift jetzt in ihren Adern. Aber er wußte zu wenig über die Anatomie und die Medizin der Fuchstauren. Nur andere Fuchstauren konnten ihr vielleicht helfen, wenn sie das Fieber nicht von allein überwand.

Er konnte sich nicht dazu durchringen, ihr eine Medizin aus den eigenen Vorräten an Bord zu geben. Wußte er denn, was wirkte, was wirkungslos blieb, was sich womöglich als giftig herausstellte? Selbst innerhalb der Rassen des Armygan gab es da große Unterschiede.

Wahrscheinlich gab es Fuchstauren in Drun'kaal. Sie waren dort gar nicht so selten, wie er gehört hatte. Ein Fuchstauren-Schiff würde Saljin auch eine Möglichkeit bieten, in ihre Heimat zurückzukehren.

Und er selbst... was würde er tun? Ihr folgen? Hierbleiben und das Geschäft wieder aufnehmen? Sie hatten überlebt - hatten alle dunklen Visionen überwunden -, und der Tag der endgültigen Entscheidung rückte immer näher.

Er ließ Saljin schlafen und stieg hoch zur Steuerkabine. Kinnih stand am Ruder, während Delley in einer Ecke schlief, leise schnarchend, im Sitzen dort zusammengesunken, wo er gerade war.

"Kapitän!" rief Kinnih, wurde aber sofort wieder leise. "Kapitän, Delley hat das Schiff der Dämonen gesichtet!"

Khiray nickte. "Die 'Goldklumpen', nehme ich an? Galbren hätte den Däm onen sicher nicht die 'Laidanna' gegeben, sondern das Schiff mit Hitzeschleife für sich behalten."

"Genau", bestätigte Kinnih. "Die Dämonen haben es einige Kilometer südlich von Alvanere versteckt. Wenn niemand dorthin kommt, können wir es auf der Rückfahrt bergen und verkaufen!"

"Wenn es eine Rückfahrt gibt", murmelte der Fuchs. "Und wenn niemand so neugierig ist, nach Alvanere zu fahren. Es gibt immer irgendwo ein paar Abenteurer, und Taphaliels Kampf gegen Beladanar war weithin zu sehen."

Kinnih verzog die Schnauze. "Keine Rückfahrt? Warum sollte es keine Rückfahrt geben?"

Khiray sah ihn nicht an. "Vielleicht gehe ich fort, mit Saljin."

Der junge Dachs verfolgte den Gedanken nicht weiter. "Wie geht es ihr?"

"Nicht besonders. Sie hat Fieber, und ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll. Vielleicht kann sie es mir sagen, wenn sie aufwacht. - Sag' mal, wenn Delley hier schläft und du am Steuer stehst, wer betreut dann die Maschinen?"

"Sarmeen", gab Kinnih zurück. "Soweit er kann."

"Ich werde das Steuer übernehmen", kommandierte Khiray. "Du sorgst für die Maschinen. Ich will mit voller Kraft nach Drun'kaal." Sein Blick fiel auf Kinnihs verbundene linke Hand. "Was ist passiert?"

"Dämonen." Der Dachs betrachtete den Verband besorgt. "Sie haben mir zwei Finger abgebissen."

"Was?" Alarmiert sah der Fuchs auf.

"Nur den kleinen Finger und ein Stück vom Ringfinger." Kinnih versuchte besonders tapfer auszusehen. "Aber wir haben sie besiegt, nicht wahr?"

"Ja. Wir haben sie besiegt." Eigentlich war es der Erzengel, der die Dämonen besiegt hatte. Khiray war sich nicht so sicher, ob sie allein auch nur gegen die Horde der Höllenwesen angekommen wären, selbst ohne Beladanar - die Dämonen hatten mit ihnen gespielt; das allein war der Grund dafür, daß sie noch am Leben waren. "Bist du immer noch der Meinung, das alles wäre ein großes Abenteuer?"

Der Dachs lächelte. "Oh ja! Es war wie in den alten Geschichten, nicht wahr? Die letzten Kämpfer sammeln sich gegen den übermächtigen Feind und tragen den Sieg davon! Davon singen die Balladen, oder? Wir sind jetzt richtige echte Helden."

Khiray schüttelte den Kopf. "Willst du das Heldengeschäft fortsetzen?"

"Fortsetzen? Gibt es denn noch irgendwo Dämonen?" Kinnih sah nicht so aus, als würde ihn diese Aussicht begeistern, was Khiray tröstete. "Ich meine, wir haben doch jetzt alles getan..."

"Die Arbeit echter Helden ist nie getan. Sonst gäbe es ja keine neuen Balladen, nicht wahr?"

"Muß nicht sein. Ich meine, Held zu sein ist ja ganz schön..." Er hob die verwundete Hand. "Aber ein paar Narben hätten es auch getan. Wegen der Mädchen und so. Narben machen Eindruck, wenn man die richtige Geschichte dazu erzählen kann. Aber meine Finger... Es tut weh. Und es sieht nicht gut aus."

"Und wir hätten alle sterben können, so wie Pallys."

Kinnihs Blick richtete sich wieder auf den Fluß. "Ja. Kann schon sein. Und es wird mir niemand glauben, oder? Wenn ich davon erzähle. Sie werden mich für einen Aufschneider halten."

"Schon möglich. Vielleicht aber auch nicht. Denk' dran, Alvanere ist nicht mehr, und die Otter verbreiten die ganze Geschichte schon. Vielleicht wird man eines Tages über uns wirklich Lieder singen. Bis dahin... Na ja, vielleicht solltest du einfach den Mund halten und den geheimnisvollen Felligen herauskehren. Das kommt auch an. Richtige Helden preisen sich nun einmal nicht selbst." So, wie er die Otter kannte, würden sie das übernehmen. Die Geschichten, die Fryyk erzählen würde...

Kinnih seufzte. "Held schön und gut, aber wenn man nicht einmal damit angeben kann, hat das alles wenig Wert, nicht? Ich würde... ich würde lieber auf meinem eigenen Schiff fahren und eine Familie haben und ein angesehener Kapitän sein."

"Helden haben keine Familien", sagte Khiray leise. "Sie haben nur sich selbst, und vielleicht ein paar Freunde. Und sie tun das, was sie tun, nicht, um Mädchen zu beeindrucken, sondern weil es das Richtige ist. Weil sie nicht anders können. Und am Ende treffen sie auf etwas, das stärker ist als sie selbst, und..." Er verstummte.

"Mmh", machte Kinnih nervös. "Ich geh' mal nach den Maschinen schauen."

Khiray sah ihm kurz nach. Helden? Er fühlte sich nicht so. Es war Taphaliel, der die Dämonen geschlagen hatte. Es war so anders als in den Büchern, den Liedern, den Geschichten. Aber vielleicht war die Wahrheit dahinter auch nicht besser: ein bißchen schmutziger, langweiliger, grausamer, erschöpfender und erschreckender als die strahlenden Bilder, die die Leute sich gerne vorstellten.

Aber es war ohnehin nie sein Plan gewesen, ein Held zu werden. Er wollte nur überleben - wollte, daß Saljin überlebte, daß niemand mehr starb, wie Pallys, wie Saswin, wie die anderen Fuchstauren...

Er hatte viel Zeit zum Nachdenken. Der Fluß war ruhig und frei, und während das Schiff eilig dem Süden zustrebte, blieb nicht viel zu tun als es auf Kurs zu halten. Khiray schämte sich etwas, nicht gleich an seine Mannschaft gedacht zu haben. Er hatte sich nur um Saljin gekümmert und wußte nicht einmal, welche Verletzungen die anderen davongetragen hatten. Er war kein guter Kapitän in diesen Tagen. Er vernachlässigte seine Pflichten.

Eines Tages... wenn alles vorbei war, wenn die Welt zur Ruhe kam, so wie in den Tagen, als sein Vater Kapitän war und sich um alles kümmerte...

Er träumte von dieser Zeit, während sich die 'Silberne Ansicc' mit höchster Geschwindigkeit über den Fluß kämpfte.

* * *

Es ging Saljin nicht viel besser, als er seine Schicht am Ruder beendete. Delley hatte kurz nach ihr gesehen, nachdem er erwacht war, aber er wußte auch keinen wohlfeilen Rat. Es gab Ärzte in den Dörfern am Fluß, sogar eine Menge - sie gelangten in die am dichtesten besiedelten Gebiete des Armygan, und hier gab es für jede Rasse eigene Doktoren. Doch mit Fuchstauren kannte sich wahrscheinlich niemand aus.

Khiray versuchte mit Saljin zu reden, aber sie war benommen und schwach.

"Rasilwurzeln... senken das Fieber", sagte sie. Der Fuchs hatte noch nie von dieser Pflanze gehört. Ein Name der Fuchstauren für ein Gewächs, das ihm unter einer anderen Bezeichnung vertraut war? Oder ein Kraut, das im Armygan gar nicht heimisch oder sehr selten war?

Pallys hätte die Antwort gewußt. Er war Jahre mit den Fuchstauren gezogen. Aber Pallys war tot, und der Rest der Mannschaft war in Fragen der Medizin beklagenswert unerfahren. Perlish und Delley wußten noch am meisten, jedenfalls wenn es um Verletzungen, Schnitte und Knochenbrüche ging. Delley hatte auf seinen Fahrten Erfahrungen gesammelt und Perlish auf Raubzügen. Fryyk hatte keine Ahnung von Medizin, außer ein paar grundlegenden Otterdingen, die ihnen nicht weiterhalfen. Kinnih hatte fast alles von Delley gelernt, ebenso wie Khiray; Ayashlees Lehren kannte die Ratte ebensogut wie der Fuchs. Sarmeen... von ihnen allen war Sarmeen in dieser Hinsicht am nutzlosesten. Als Sohn eines Gouverneurs hatte er sich stets auf die Ärzte der Stadt verlassen können und es nie nötig gehabt, etwas über Medizin zu lernen.

Rasilwurzeln. Khiray war versucht, in der nächsten größeren Stadt anzuhalten und einen Arzt oder Kräuterheiler danach zu fragen. Die Fuchstauren hatten sicherlich Medizin in ihrem Gepäck gehabt, aber all ihr Besitz war zerstört oder in Sookandil zurückgeblieben.

Saljin beschrieb ihm mühsam die Pflanze, aber auch das rief keine Erleuchtung in ihm hervor - und laut der Fuchstaurin mußte man sie ohnehin zunächst einmal zubereiten.

Er konnte nicht schlafen. Das war schlecht; mit nur sechs mehr oder weniger einsatzfähigen Mannschaftsmitgliedern mußten sie jede wache Stunde durcharbeiten und jede verbleibende Minute zum Schlafen nutzen. So weit überhaupt möglich, brauchten sie einen Felligen am Ruder, einen an den Maschinen, und einen im Ausguck. Je dichter der Fluß befahren wurde, um so nötiger wurde es, vorausschauend zu fahren, gerade mit ihrer Geschwindigkeit. Es galt als gefährlich, hier unten im Süden so schnell zu fahren. Kein Kapitän tat so etwas. Aber Khiray hatte keinen Ruf zu verlieren, und es war ihm mittlerweile gleichgültig, ob die Maschinen das Tempo ohne schwere Schäden durchhielten. Bis nach Drun'kaal, weiter mußten sie nicht kommen. Bis nach Drun'kaal, wo Fuchstauren Saljin helfen würden... wenn Fuchstauren dort waren...

Seine Träume, als er endlich einschlief, waren düster.

Zwei Tage. Drei, wenn es nach Delley gegangen wäre, vier, wenn sie die erlaubten regulären Geschwindigkeiten einhielten. Frachtsegler mußten scharf beidrehen, wenn der große Dampfer an ihnen vorbeirauschte. Ruderboote und kleine Fähren schaukelten im Fahrwasser der 'Ansicc'. Flüche und Beschimpfungen folgten ihnen. Khiray gab Notsignale, um die zornigen Flußfelligen zu besänftigen, aber wahrscheinlich würde die 'Ansicc' nicht im besten Ruf stehen, wenn sie die Strecke wieder zurückfuhr.

Es spielte keine Rolle.

Am Nachmittag des ersten Tages passierten sie Koshmore. Hier gabelte sich der Fluß, wie so oft; hier begann auch das einzige größere zusammenhängende Straßennetz des Armygan. Drun'kaal war nicht mehr fern.

Die Kaimauern von Koshmore lockten. Schaulustige liefen zusammen, als die Hafenarbeiter erkannten, daß der ankommende Dampfer nicht nur nicht halten würde, sondern den Kai fauchend und stampfend passierte, ohne die Geschwindigkeit zu verringern. Glücklicherweise lief gerade kein Schiff ein oder aus, und nur wenige Boote waren unterwegs.

Ein Pferd war schneller als ein Schiff, auf kurzer Strecke. Aber ein Schiff konnte bei Tag und in der Nacht fahren, brauchte keine Pause, und dank der Hitzeschleife brauchte die 'Ansicc' nicht einmal Kohle oder Holz nachzuladen.

Koshmore, das silberne Koshmore mit den berühmten Gewürzmärkten, blieb zurück, die Bewohner erstaunt und erbost, je nach Veranlagung. Von hier aus ging es in gerader Strecke nach Südwesten. Felder und Dörfer erstreckten sich in alle Richtungen. Wege führten am Fluß entlang, und in großen Abständen gab es sogar Brücken, kühne Bogenbauwerke, die höher als jeder Seglermast, höher als jeder Schornstein reichten. Fuhrwerke mit Pferden oder Ochsen zockelten dahin. Das Schiff überholte sie alle.

Bei Nacht konnten nur Khiray oder Delley steuern; keiner der anderen hatte die Erfahrung, auf einem vielbefahrenen Fluß in der Dunkelheit manövrieren zu können. Also ging der Fuchs kurz hinter Koshmore in seine Kabine, um sich auszuruhen.

Saljin war wach, aber kaum bei Bewußtsein. Ihr Atem ging flach, und sie zitterte. "Rasil... Rasilwurzeln..."

"Wir haben keine solche Pflanzen." Khiray konnte es kaum ertragen, sie so zu sehen. "Aber es sind sicherlich Fuchstauren in Drun'kaal. Kaum mehr ein Tag bis dorthin. Halte nur so lange noch durch, dann werden sie dir helfen!"

"Versuche es..."

Er bemühte sich, ihr etwas Wasser einzuflößen, und wechselte ihren Verband. Sie blutete nicht mehr, aber das hatte kaum etwas zu bedeuten. Wenn sich die Wunde im Inneren entzündet hatte...

Tränen, die er um Pallys nicht mehr weinen konnte, vergoß er für Saljin.

* * *

Sie erreichten Drun'kaal gegen Mittag des folgenden Tages, obgleich sie auf dem letzten Stück der Strecke die Geschwindigkeit doch reduzieren mußten. Zu viele Schiffe waren unterwegs.

Drun'kaal sah selbst vom Fluß aus beeindruckend aus. Hohe Häuser, prächtige Paläste, verzierte Türme erhoben sich auf den Hügeln, auf denen die Stadt erbaut worden war. Zu beiden Seiten des Flusses erstreckte sich das Häusermeer, soweit das Auge reichte. Zwei riesige Brücken überspannten den Fluß und verbanden die Stadtteile.

Das Meer war noch nicht zu sehen, aber zu riechen. Salzige Seeluft wehte über die Stadt. Seeschiffe legten an den großen Meereskais an, während der Fluß in seiner ganzen Länge beidseitig als Hafen für Flußschiffe ausgebaut war. Wie immer war die Stadt im Umbruch; ganze Viertel wurden abgerissen und in neuem Stil errichtet, alte Häuser wichen Parks, Parks wurden mit Wohnbauten zugedeckt, offene Plätze verkleinerten und vergrößerten sich mit den Tiden aus Stein, die entlang der Straßen brandeten. Holzkonstruktionen, provisorische Kräne, unfertige Lagerhallen zierten die Kais.

Von den ständigen Veränderungen ausgenommen war nur das Viertel des Drunfürsten.Die Alleen und Blocks rings um den Palast waren nur erneuert, nicht aber modifiziert worden. Für den Palast selbst galt das nicht, er wucherte wie ein phantastisches Gewächs, doch seine Umgebung war per Dekret unveränderlich.

Khiray legte an der entferntesten Mole an. Es wäre ihm lieber gewesen, weiter seehafenwärts zu fahren, doch je näher man den Märkten und dem Seehafen war, um so teurer und schwerer zu finden war ein Liegeplatz. Man mußte wissen, wen es zu bestechen galt, wo man Trinkgelder verteilte und wo man nichts tun konnte außer zu warten oder sich im voraus anzumelden. So weit draußen, entfernt von allem Trubel, waren kaum Hafenarbeiter zu finden, die Anlagen waren in einem schlechten Zustand, und die Lagerhallen nicht der Erwähnung wert. Aber sie konnten festmachen, ohne Fragen zu beantworten. Der zuständige Hafenmeister quälte sich aus seinem Kabuff und hinkte näher.

Der Fuchs ließ eine Goldmünze sehen, und die heruntergekommene Ratte verdoppelte ihre Geschwindigkeit.

"Keine Ladung?" fragte der Hafenmeister mit zusammengekniffenen Augen. "Das hab' ich ja noch nie gesehen, daß einer nach Drun'kaal kommt und keine Ladung hat."

"Wir haben unsere Gründe. Wieviel für den Liegeplatz?"

"Ah..." Die Ratte schielte auf die Goldmünze.

"Offizielle Preise", verlangte Khiray. "Die hier ist für... persönliche Dienste." Er ließ die Münze durch seine Finger wandern wie ein geschickter Taschenspieler. Sein Vater hatte ihm den Trick gezeigt. Die Bewegung ließ das Gold in der Sonne funkeln.

Gier spiegelte sich in den Augen des Hafenmeisters. "Zehn pro Tag."

"Pro Woche." Die Münze verschwand in Khirays geschlossener Faust.

"Das habe ich gesagt, oder?" Die Ratte streckte die Finger aus.

"Und wir brauchen einen Wagen. Gefedert, für den Transport eines Verletzten zum Hafen. Nur das Beste und Schnellste."

Die Münze wechselte den Besitzer. Die Ratte eilte davon, offenbar auf weitere Trinkgelder hoffend.

"Du handelst hart", sagte Delley. "Dreißig pro Woche wären angemessen gewesen, selbst für ein Loch wie dieses. Es ist immerhin Drun'kaal."

Khiray rümpfte die Schnauze. "Wenn ich Gold als Trinkgeld gebe, muß ich nicht noch mehr für den Liegeplatz vergeuden. Und wenn ich gar nicht gehandelt hätte, wären wir dieser Ratte verdächtig vorgekommen. Noch verdächtiger, als wir es ohnehin schon sind."

Er half den anderen dabei, Saljin auf einer Bahre auf die Mole zu tragen. Die Fuchstaurin war bewußtlos, aber sie atmete noch. Khiray fühlte ihren Puls. Zu langsam für einen Fuchs, zu schnell für einen Bären... und viel zu schwach, soviel wußte er jedenfalls. Sie bewegte sich nicht.

Es dauerte nicht lange, bis ein Wagen erschien, vierrädrig und mit sehr bequem aussehender Federung. Vier Hirsche zogen ihn; die Nutzung von Zugtieren war aus hygienischen Gründen in der Stadt sehr eingeschränkt. Einer der vorderen Zieher ließ seinen Teil der Deichsel los und kam zu Khiray hinüber. "Ihr habt einen schnellen Wagen geordert?" Der Hafenmeister mußte gute Verbindungen zu einem Läufer haben, sonst wären die Hirsche nicht so schnell hiergewesen.

"Ja." Khiray bemerkte, daß der Hirsch ihn mißtrauisch ansah. Sicher wurde sein zweifellos teurer Service nicht sehr häufig in diesen Teil der Stadt bestellt, noch dazu von einer so zerlumpten, ungebürsteten, heruntergekommenen Crew wie dieser. Ein Schiff ohne Ladung, beschädigt und notdürftig repariert, dem man die lange Fahrt förmlich ansehen konnte... Der Hirsch hatte allen Grund, an einen Schwindel zu glauben. Daß er dennoch gekommen war, ehrte ihn. Khiray zauberte ein weiteres Goldstück hervor. "Wir haben hier eine verletzte Fuchstaurin, die dringend von ihrem Volk behandelt werden muß. Wir brauchen Auskunft darüber, wo ein Fuchstauren-Schiff liegt."

"Fuchstauren, hm?" Der Hirsch wiegte zweifeln sein Geweih, ging dann hinüber zu den anderen und redete kurz mit ihnen. "Ihr habt Glück", sagte er, als er wiederkam. "Noch ist ein Schiff da, im Osthafen. Wenn sich Belank nicht irrt, legen sie heute abend mit der Flut ab."

Khiray nickte. "Wir müssen sie sofort dorthin schaffen." Sie bugsierten die provisorische Trage auf den Wagen. "Kinnih, du fährst mit. Ich brauche die genaue Mole."

"Einunddreißig Ost vier", gab der Hirsch namens Belank Auskunft.

Der Fuchs reichte Kinnih das magische Dekka'shin. "Beschütze sie. Erkläre den Fuchstauren, worum es geht. Ich komme sofort nach. Gib ihnen das hier." Ein Beutel mit Gold folgte der Mondsilber-Waffe.

"Du willst den Kleinen doch nicht allein fahren lassen", murrte Perlish. "Mit dem Gold lockst du eine Armee von Dieben an!"

"Deshalb habe ich ihm ja auch die Waffe gegeben. Ich muß nur noch die Papiere beim Hafenmeister unterzeichnen. Wenn ich das nicht tue, wird die 'Silberne Ansicc' an die Kette gelegt." So sehr es ihn dazu drängte, Saljin zu begleiten, so wenig konnte er sich über die Formalitäten hinwegsetzen. Er war der Kapitän, er hatte diese Verpflichtungen. Und in Drun'kaal achtete man sehr auf Formalitäten.

Perlish schüttelte den Kopf. "Ich gehe mit ihm."

Khiray nickte ihm dankbar zu. Er hatte nicht erwartet, daß der Bandit ihm auch nur einen Schritt über das einmal gemachte Versprechen hinaus helfen würde. Er sah zu, wie die Hirsche den Wagen in Bewegung setzten, den Kai entlangrollten und dann in einer Straße verschwanden.

"Ich hätte mitgehen können", brummte Delley.

"Mit deinen diplomatischen Fähigkeiten hätten die Fuchstauren sofort Segel gesetzt. Kinnih ist jung, er kann sich benehmen, soweit du ihn noch nicht verdorben hast, und die Fuchstauren werden ihm nicht so sehr mißtrauen wie einer Ratte wie dir."

"Einer Ratte wie mir? Was ist mit mir? Was ist mit meinen diplomatischen Fähigkeiten? Die sind sehr gut, diese diplomatischen Fähigkeiten!"

"Ja, so wie in Kandrin... du weißt schon, die Sache mit den drei Men'schin-Schwestern und dem vierschrötigen Barkeeper..."

Delley grunzte. "Na schön. Vielleicht schafft es Kinnih, die Sache nicht zu vermasseln. Immerhin habe ich ihm alles beigebracht."

"Das ist es, was ich fürchte." Khiray gestattete sich ein Lächeln. "Ich habe volles Vertrauen in Kinnih. Er gehört zur Mannschaft. Komm, laß uns zum Hafenmeister gehen."

Sie brauchten zu zweit eine halbe Stunde, um sich durch den Papierkram zu arbeiten. In Drun'kaal, selbst einem ärmlichen Viertel wie diesem, war man eben gründlich, ganz anders als in Sookandil. Es half dabei kein bißchen, daß Khirays Gedanken immer wieder zu Saljin abschweiften. Und selbst mit einem goldenen Trinkgeld mußte der Hafenmeister seine Pflicht tun.

Auf dem Rückweg vom Büro des Hafenmeisters fiel Khiray auf, daß nun gar keine Arbeiter mehr herumlungerten. Der Kai war wie leergefegt. Natürlich, es mußte sich herumgesprochen haben, daß die 'Ansicc' keine Ladung trug und damit hier auch nichts zu verdienen war.

Der Fuchs öffnete das geheime Versteck der Goldreserve im Navigationsraum und packte das Gold in einen Gürtel. Im Gegensatz zu den üblichen kleinen Münzen waren das hier große, schwere Scheiben. Er mußte den Gürtel eng schnallen, damit er ihm nicht über die Hüften rutschte. Das Gewicht war beruhigend.

Dann nahm er einen Seesack und packte einiges seiner persönlichen Habseligkeiten hinein: Kleidung, zwei seiner Bücher, das Traummesser, die Schnitzereien der Traumbegleiter, die Saljin für ihn angefertigt hatte, und die kleine Statuette von Saljin selbst. Eine Uhr, den Kompaß, und einen Satz Karten. Er nahm sich die Zeit, die Statuette und die Karten gut zu verpacken. Bürsten und Kämme, Lyshs Geschenk, das Nashi'tarr... Seine wichtigsten Habseligkeiten. Er besaß mehr, als er tragen konnte: viele Bücher, Kleinkram, und da waren ja auch noch die Sachen seines Vaters, die er nie angerührt hatte... Es blieb keine Zeit, sie jetzt nach wichtigen Dingen zu durchsuchen. Er warf nur einen flüchtigen Blick in die Kabine und ergänzte seinen Seesack um das, was ihm ins Auge fiel. Der Schmuck seiner Mutter... ein kleines gemaltes Portrait. Es gab keine Bilder von Saswin.

Dann bürstete er sich, zog Schuhe an, legte seine beste Weste um und schmückte seine Ohren mit den teuersten Clips, die er besaß. Er wollte auf die Fuchstauren einen guten Eindruck machen. Vielleicht gehörten sie zu einem Clan, der Saljins Familie nicht wohlgesonnen war. Es war besser, nicht wie ein Bettler zu erscheinen.

Warum überhaupt der Seesack? Er schüttelte den Kopf über sich selbst. Es war ja nicht so, als ginge er für immer. Zuerst mußte er den Fuchstauren klarmachen, was er wollte: Versorgung für Saljin - dafür hatte hoffentlich Kinnih schon gesorgt - und eine Passage nach Hause. Oh, und natürlich eine Ladung der Medizin, um derentwillen die Fuchstauren überhaupt in den Armygan gekommen waren.

Doch wenn die fremden Fuchstauren noch heute ablegen wollten, so konnte er sie nicht begleiten. Zu viel blieb zu tun. Er mußte den Drunfürsten informieren, Galbrens Plan aufdecken. Wahrscheinlich würde der Fürst darauf bestehen, daß er bei Hofe blieb, bis Galbren persönlich gefunden werden konnte, um ihn auch der Wahrheitssuche zu unterziehen.

Und wenn die ganze leidige Angelegenheit endlich erledigt war, so mußte er die 'Silberne Ansicc' verkaufen, für Delley und Kinnih gute Zeugnisse schreiben, ihnen vielleicht bei der Suche nach einem neuen Kapitän helfen... oder er konnte die 'Ansicc' als Ganzes Delley überlassen. Verdient hatte er es, und Khiray benötigte das zusätzliche Gold nicht sehr dringend, wen n er ins Fuchstauren-Gebiet reiste. Natürlich war die 'Ansicc' selbst ohne die Hitzeschleife mehr wert als alles Gold, das er gerade am Körper trug, doch wohin mit diesem Vermögen?

Er seufzte tief. Es kam ihm so vor, als habe er in Gedanken bereits Abschied von seinem Schiff genommen, seinem Erbe. Und wofür? Um die Fremde zu sehen, die vielleicht noch viele böse Überraschungen parat hatte.

Nein, noch war es nicht so weit. Saljin war bei ihrem eigenen Volk am besten aufgehoben, und damit war er aller dringender Entscheidungen ledig. Er hatte noch Tage, vielleicht Wochen vor sich, in denen er die Gastfreundschaft des Drunfürsten genießen konnte.

Vielleicht gab es sogar eine Belohnung. Sarmeen würde Galbrens Posten erhalten, und sicher machte sich Perlish vorzeitig aus dem Staub... aber Delley, Kinnih und vor allem Fryyk hatten mehr verdient als nur einen Pfotendruck. Der Otter hatte ihnen ungefragt geholfen, ohne in die Geschichte verwickelt zu sein; er hatte sein Leben für Fremde aufs Spiel gesetzt.

Er schulterte den Seesack und ging hinab in den Maschinenraum. Delley hatte die Maschinen abgestellt. Fryyk war auch da, nur Sarmeen fehlte.

"Du siehst aus, als wolltest du umziehen", bemerkte Delley. "Stimmt mit deiner Kabine was nicht?"

Der Fuchs zuckte die Achseln. "Nein, es ist nur... ich hatte dieses Gefühl, und... Du hast recht, es ist albern. Es ist dumm genug, so viel Gold mitzunehmen, aber die Sachen auch noch, nein... ich werde sie hierlassen."

Die Ratte nickte langsam. "Du willst wirklich aufbrechen, nicht wahr?" sagte er sanft. "Du willst ihr folgen. Möglichst noch mit diesem Seeschiff."

Khiray fühlte sich, als würde er mit einem Bein in der Vergangenheit und mit dem anderen in der Zukunft stehen. "Ja... nein!"

"Du kannst es ruhig zugeben." Delley sah zu seinen Maschinen hinüber. "Sie ist es wert, oder?"

Er nickte schwach. "Ja."

"Ich passe auf deine Maschinen auf. Ich fahre die 'Ansicc' für dich, bis du wiederkommst. Heh, wenn du wieder im Land bist, haben Kinnih und ich für dich so viel Profit herausgeholt, daß du dir eine ganze Flotte kaufen kannst!" Trotz der aufgesetzten fröhlichen Miene konnte Khiray in Delleys Augen lesen.

"Es nützt nichts...", erwiderte der Fuchs. "Ich muß Kooradah benachrichtigen. Er wird nach Galbren suchen lassen - bis alles vorbei ist, ist Saljin wieder in ihrer Heimat. Und ob ich ihr folge... ob sie will, daß ich ihr folge... das steht noch in den Sternen."

"Die Sache mit Kooradah kann ich auch übernehmen, wenn du willst", bot sich Delley an.

"Man könnte meinen, du willst mich loswerden", lächelte Khiray.

"Nein, nein, wirklich!" ereiferte sich die Ratte. "He, ich habe auch ein paar Mädchen gekannt in meiner Zeit..."

"...in deiner Zeit?" warf Fryyk ein. "Wenn ich darüber nachdenke, was ich von Kinnih gehört habe, hast du immer noch in jedem Hafen mindestens eine!"

Delley sah ihn böse an. "Ich meine, so richtig gekannt. So gut, daß ich fast einmal einen Hausstand mit ihr gegründet hätte... Also, wenn du e s ernst meinst, solltest du gehen."

Khiray nickte wieder. Vielleicht hatte Delley recht. Vielleicht konnte er gar nicht anders, als Saljin zu begleiten. Ihr Schicksal war mit seinem verwoben, und alle Gründe, die er sich ausdachte, um nicht mit den Fuchstauren zu segeln, waren nur Ausreden - die er sich zusammenstoppelte, weil er den Gedanken an Veränderung nicht ertragen konnte.

Aber in Wahrheit zählte sein Schiff doch gar nicht. Sein Erbe war nicht wichtig. Delley würde die 'Ansicc' ebensogut fahren wie er selbst. Das einzige, was zählte, waren er und Saljin... lebende Wesen, nicht toter Besitz. Die Fuchstauren besaßen auch nicht mehr, als sie tragen konnten. Der Gedanke ließ seine Kaufmannsseele schaudern.

"Du warst nicht von Anfang an dabei", gab er zu bedenken. "Was willst du Kooradah erzählen?"

"Huh! Ich war am Ende dabei! Ich habe die Dämonen gesehen. Und für den Anfang ist eher Sarmeen zuständig. Er war Galbrens erstes Opfer..."

Sarmeen taumelte herein. Der Pfeil, der seine Brust durchbohrte, ragte ihm aus dem Rücken. Wer immer ihn abgeschossen hatte, war ein Meister. Er hatte mit unfehlbarer Sicherheit das Herz getroffen.

Der Wolf fiel zu Boden. Khiray und Delley duckten sich hinter die Tür. Fryyk versteckte sich hinter einem Maschinenteil. "Was zum...!" entfuhr es der Ratte.

Khiray spähte vorsichtig um die Tür herum. Galbrens Soldaten schwärmten über den Kai. Der Gouverneur selbst hielt Pfeil und Bogen in der Hand. Ehe er anlegen und schießen konnte, hatten Khiray und Delley die schwere eiserne Tür zugeworfen und verriegelt. Draußen dröhnten die ersten Schritte der Soldaten auf dem Deck.

* * *

"Ihr könnt ebensogut herauskommen", rief Galbren. "Es ist sicher weniger schmerzhaft, durch das Schwert zu sterben, als langsam im Rauch zu ersticken, wenn ich das Schiff anzünden lasse." Der Stimme nach stand er direkt vor der Tür zum Maschinenraum.

"Das ist ziemlich undiplomatisch", erwiderte Delley. "Du könntest uns wenigstens ein paar falsche Hoffnungen machen, um uns herauszulocken."

Der Gouverneur schnaubte. "Ich werde eure Intelligenz nicht beleidigen und meine Worte entwürdigen, indem ich mit billigen Lügen arbeite. Ihr werdet sterben, und die einzige Wahl, die ihr noch habt, ist die der Art des Todes!"

Fryyk hatte ein weiteres Licht entzündet, das das Dunkel des Maschinenraums erhellte. Der Maschinenraum hatte keine Fenster und nur eine Tür. Die hölzernen Wände waren mit Eisen beschlagen. So schnell würden die Soldaten dieses Hindernis nicht überwinden.

Aber sie saßen in der Falle. Wenn Galbren das Schiff wirklich anzündete, hatten sie keinen Ausweg mehr. Ein Krachen und Knacken von oben wies auf die Verwüstungen hin, die die Söldner bereits anstellten.

"Er kann eigentlich gar nicht hier sein", sinnierte Khiray. "Khezzarrik sagte, er führe den Langen Lauf hinab. Wir sind die schnellere Strecke gefahren; wie kann er uns eingeholt haben?"

"Khezzarrik hat seine beiden Schiffe wahrscheinlich transportiert, wie er die Soldaten transportiert hat, die uns auf dem Weg nach Larynedd auflauern sollten", stellte Fryyk fest. "Warum hätte er dir und Saljin in jedem Punkt die Wahrheit sagen sollen? Wahrscheinlich hätte es sogar seine dämonische Ehre gekränkt, wenn er dir nur Wahrheiten gesagt hätte."

"Aber..." Khiray schnappte nach Luft. "Was will Galbren hier?"

"Das hat er doch eben gesagt."

"Nein, vorher! Wollte er uns auflauern, falls wir es doch den ganzen Weg schaffen sollten?"

"Wahrscheinlich." Der Otter rieb sich den Schwanz. "Aber es spielt sowieso keine Rolle, oder? Wir sind erledigt."

"Hört ihr mich, da drinnen?" brüllte Galbren. "Wir stecken jetzt das Heck in Brand! Ihr habt die Wahl! Ich werde hier warten, bis ihr herauskommt oder das ganze Schiff in Flammen steht!"

"So schnell brennt die 'Ansicc' nicht", erwiderte Delley. Seine Ohren und sein haarloser Schwanz waren weiß vor Zorn.

Galbren. Der Gouverneur hatte sie also schließlich doch in eine Falle gelockt, aus der es kein Entkommen gab. Wo seine Dämonen und seine Söldner versagt hatten, hatte er endlich Erfolg.

"Es nützt dir nichts mehr, Galbren!" rief Khiray. "Die Dämonen sind vernichtet; sie kehren niemals mehr hierher zurück! Ohne sie sind deine Pläne wertlos!" Wußte der Gouverneur, daß die Dämonen von Taphaliel geschlagen worden waren? Wenn er die ganze Zeit über bereits in Drun'kaal gewesen war, um ein Netz aus Spionen und Informanten auszuwerfen, konnte er keinen Kontakt mit Beladanar gehalten haben. Es sei denn, sie sprachen über magische Hilfsmittel miteinander, wie jenes, das Pallys Khiray gegeben hatte. Ja, das war sehr wahrscheinlich: Galbren würde Beladanar nicht gänzlich ohne Kontrolle lassen wollen.

"Das wird sich zeigen." Der Gouverneur gab sich jedenfalls nicht überrascht über die Behauptung.

"Du kannst Kooradah nicht stürzen! Eine Nachricht an ihn ist bereits unterwegs!" Es war ein Bluff, aber Galbren konnte das nicht wissen.

"Ich bin mir dessen bewußt, daß nur vier von euch an Bord waren", sagte der Gouverneur. "Drei jetzt; ich glaube, ich habe meinen verräterischen Bruder gut getroffen."

"Verräterisch?" Fryyk lachte. "Wenn hier einer verräterisch ist..."

"Otter, du wärst besser in deinem Dorf geblieben. Nun, wie heißt es so schön: mitgefangen, mitgehangen. Und die anderen erwische ich auch noch. Vier hier, vier dort, nicht wahr?" Er wußte nichts von Pallys' Tod. Er wollte sie nur aushorchen.

"Sie sind vermutlich schon bei Hofe!"

"Das macht nichts", meinte Galbren, ohne sich die Mühe zu machen, seine Behauptung zu erklären. "Sie sterben genau wie ihr, früher oder später, schnell oder langsam, ganz wie es mir gefällt. Das Schiff brennt bereits. Ich könnte hier noch Stunden stehen und plaudern, aber ich fürchte, in einigen Minuten wird es hier warm werden."

Khiray fühlte sich elend. Erschlagen oder verbrannt, es lief auf dasselbe hinaus. Und Kinnih hatte das Dekka'shin mit den Kräften des Erzengels... warum hatte er es jemals aus der Hand gelegt?

Wenigstens würde Saljin überleben. Bis zum Auslaufen des Fuchstauren-Schiffes hatte Galbren sie sicher nicht aufgespürt, und danach würde er kaum ihre Spur verfolgen und seine Zeit mit Rache vergeuden.

"Plaudere nur weiter, Galbren", gab Delley dem Gouverneur zu verstehen. "Wir sind sehr interessierte Zuhörer."

"Oh, der Gesprächsstoff geht mir aus, fürchte ich. Da ihr meine Dämonen besiegt habt, dürftet ihr auch den Rest kennen. Ich werde euch sicher nicht jede Einzelheit erklären, aber ihr dürft euch sicher sein, der Plan war meisterlich, und mein nächster wird nicht minder genial sein. Kooradah wird stürzen, und ich werde an seiner Stelle über den Armygan herrschen!"

"Gib nur weiter so an, bis dich jemand hört", rief der Fuchs. "Jemand wird das Feuer sehen, oder die Bewaffneten. Es gibt Regeln in Drun'kaal, Galbren! Wir sind hier nicht in einem Dorf im Norden!"

"Ihr habt mir alles sehr einfach gemacht mit der Wahl eures Landeplatzes", behauptete Galbren. "Ich mußte wenig Silber verteilen, um die Leute daran zu erinnern, daß sie anderswo weit dringendere Pflichten haben. Weiter im Zentrum der Stadt hätte ich mehr zahlen müssen!"

"Noch sind wir nicht am Ende", flüsterte Delley. "Wir können hier 'raus!"

"Wie?" wollte Fryyk wissen.

"Die Wellenbrücke. Keiner von uns ist besonders groß. Man kann für Reparaturen an der Achse entlangkriechen, bis hin zum Schaufelrad. Dort öffnet sich eine Klappe nach außen. Nicht gerade empfehlenswert, da während der Fahrt zu sein, aber im Hafen kann man durch die Klappe und das Schaufelrad nach draußen gelangen!"

Die Wellenbrücke? Natürlich. Khiray entsann sich der Konstruktion des Schiffs. "Aber... wir gelangen von dort aus nur ins Wasser!"

"Wasser ist Freiheit!" sang Fryyk begeistert. "Wir sind gerettet!"

Delley blickte düster. "Du vielleicht - wenn du lange genug tauchst, um am anderen Ufer zwischen die Schiffe zu kommen, oder so weit weg schwimmst, daß Galbren dich nicht mehr bemerkt. Aber wir... wir können nicht so lange unter Wasser bleiben. Das Schiff wimmelt von Soldaten. Sie halten sicher auch den Fluß unter Beobachtung. Sobald wir den Kopf aus dem Wasser stecken, haben wir einen Pfeil im Nacken." Er wies auf Sarmeen.

Der Wolf lag reglos, leblos. So weit war er gekommen seit der Flucht aus Galbrens geheimem Kerker, und nun war er seinem mörderischen Bruder doch noch zum Opfer gefallen. Ohne eine Chance, Rache zu nehmen, ohne eine Möglichkeit, seinen jüngeren Rivalen aufzuhalten oder Kooradah seine Geschichte darzulegen. In Alvanere hatte er tapfer gekämpft, nur um hier schmählich ums Leben gebracht zu werden.

So viele, die sie zurückgelassen hatten - so viele, die gestorben waren. Khiray begann Galbren zu hassen, wie er zuvor nur die Dämonen gehaßt hatte. Wenn es nur einen Weg gäbe, ihn zu vernichten...!

Natürlich.

"Eine Ablenkung", sagte er. "Das ist alles, was wir brauchen." Er ging hinüber zu den Maschinen und aktivierte die Hitzeschleife.

"Das Schiff in Bewegung setzen...", sinnierte Delley. "Khiray, wenn die Maschinen laufen, dreht sich die Achswelle. Wir werden nicht mehr daran vorbeikommen. Wenn wir die Finger unter die Welle bekommen, reißt die Maschine sie uns ab. Wenn sich unsere Kleidung verfängt, wickelt sie sich auf. Wenn unser Fell hineingerät, haben wir ein paar kahle Stellen mehr. Und Galbren läßt sich sicher nicht lange irritieren. Und das Schiff könnte mit anderen zusammenprallen und Unschuldige verletzen."

"Ich habe nicht vor, Galbren zu irritieren", stellte Khiray fest. Das Wasser in den Kesseln erhitzte sich bereits. "Ich habe vor, ihn zu töten."

Er kletterte auf die Maschinen, die reglos auf ihr Anlaufen warteten, und blockierte das Sicherheitsventil mit einem Bolzen.

"Götter, Khiray...", stöhnte Delley, als er begriff, was der Fuchs vorhatte.

"Galbren hat mein Schiff angezündet", sagte Khiray kalt. "Er wird nicht lange Freude daran haben! Kannst du abschätzen, wann es passiert?"

"Uh, ja, wenn wir in der Nähe des Rades bleiben... Wir werden sterben, wenn es nicht funktioniert!"

Khiray schüttelte den Kopf. "Vielleicht schießen Galbren oder seine Bogenschützen auch daneben."

Die Ratte stieg zur Achse hoch und nahm ein Stück der Wandverkleidung beiseite. Dahinter lag ein enger, dunkler Gang, nicht sehr lang - gerade lang genug, um das umlaufende Deck draußen zu überqueren -, aber höchst ungemütlich aussehend.

Delley kroch als erster hinein. Er wußte am besten, wie man die äußere Klappe öffnete.

"Habt ihr euch fürs Verbrennen entschieden?" fragte Galbren von draußen.

"Oh ja!" gab Khiray zurück. "Es ist uns angenehmer, hoher Herr." Es mochte Galbren ärgern, von einem gewöhnlichen Kaufmann geduzt zu werden, aber noch schlimmer mußte es ihn treffen, wenn man ihn im Spott anredete. "Sonst müßten wir diese Tür öffnen und Euch ansehen, und dann würde uns zu allem Überfluß noch übel. Das müssen wir uns nicht antun."

"Euch wird der Spott noch vergehen, wenn die Flammen über euer Fell lecken! Ich bedaure nur, daß ich euer Ende nicht noch ein wenig schmerzhafter gestalten kann."

"Oh, das tut Ihr doch bereits. Eure Stimme foltert trefflich unsere Ohren. Wenn sie noch ein wenig schneidender wäre, könnte sie allein sich den Weg durch diese Tür bahnen!"

Galbren schwieg eine Weile. Khiray warf einen Blick auf die Druckanzeige der Maschinen. Die Kraftübertragung war abgeschaltet, doch die Hitzeschleife lief auf Vollast. Langsam verdampfte das Wasser in den Kesseln, ohne eine Möglichkeit des Entweichens.

"Ihr wißt gar nichts", behauptete der Gouverneur schließlich. "Ihr kennt die Dekadenz des Adels nicht aus eigener Anschauung. Ihr kennt die Gefahren nicht, die durch die Fremden drohen. Alles, was ich getan habe, geschah nur zum Wohle des Armygan!"

Oh, diese alte Litanei! Khiray ließ Galbren reden und folgte Delley und Fryyk in die Dunkelheit der Wellenbrücke. Die Ratte hatte bereits die äußere Klappe entriegelt; als Delley sie öffnete, flutete Licht hinein. Nichts sonst geschah. Delley schlüpfte nach draußen.

"Die Bevölkerung wird mir eines Tages dafür danken, sie aus der Tyrannei des Drunfürsten erlöst zu haben...", tönte es von der Tür. Glaubte Galbren wirklich, er könne sie damit beeindrucken, indem er seine Selbstsucht, seine Machtgier und seine Arroganz und Brutalität hinter längst verbrauchten, bedeutungslosen Worten versteckte? Reden dieser Art schwangen sonst nur die billigen Schurken aus Khirays Romanen.

Aber vielleicht war Galbren wirklich nichts weiter als ein billiger Schurke. Die Dämonen waren auf faszinierende Art böse gewesen - entsetzliche, mitleidslose Wesen mit gewaltigen Kräften. Galbren war am Ende auch nur eines der Werkzeuge, derer sich Khezzarrik bedient hatte. Khezzarrik hatte Ghanzekk bei der Entwicklung der neuen Stäbe geholfen. Welche Maske mochte er benutzt haben, um Galbrens Eitelkeit zu schmeicheln, um seine Gier zu wecken, um seinen Hunger nach Macht anzustacheln? Galbren glaubte noch immer daran, daß seine Pläne seinem eigenen Verstand entsprangen.

Armer, irregeleiteter Gouverneur. Er erkannte noch immer nicht, daß er ein nützlicher Narr gewesen war - in einem Spiel um die Macht in der Hölle. Galbren bildete sich ein, den Dämonen befehlen zu können. Seine Dämonen! Was für eine Vorstellung! Fast hätte Khiray laut gelacht.

Er kroch auf Händen und Knien in den engen Raum, den Seesack hinter sich her schleifend. Die dicke Achse des Schaufelrades lag in ihren Halterungen, fettverschmiert und leicht vibrierend, als spüre sie die Gewalt der Maschinen und bebe in Erwartung. Es war wenig Platz in der Wellenbrücke - Saljin hätte hier schwerlich hindurchgepaßt. Khirays Rücken berührte bereits die Oberseite, während er sich mit Händen und Pfoten über die Achse vorarbeitete.

Am anderen Ende des kurzen Verbindungsstücks mußte er sich über das Hauptlager des Schaufelrades winden. Dahinter ragten die inneren Speichen des Rades auf. Lautlos zwängte er sich durch den Zwischenraum, bugsierte den Seesack hinter sich her und stand schließlich im Inneren des Schaufelrads. Zwei Reihen von Speichen führten nach außen zu den Paddeln und den mächtigen hölzernen Ringen, die sie stabilisierten. Dies war ein Ort, an dem Khiray in seinem ganzen Leben noch nicht gewesen war. Fasziniert betrachtete er das Muster der Speichen. Das Gehäuse des Rades schützte ihn vor der Entdeckung durch die Soldaten, deren Schritte und Stimmen er hörte.

Schließlich ließ er sich nach unten hinab und glitt eine Felligenlänge tiefer ins Wasser, wo Delley und Fryyk schon auf ihn warteten. Er hoffte, daß er die Karten ausreichend wasserdicht verpackt hatte. Die beiden Bücher würden den Tauchgang wohl nicht überleben. Bedauernd sah er zu seinem Schiff hoch. Die 'Silberne Ansicc' hatte ihrem Namen Ehre gemacht und sie alle in kürzester Zeit nach Drun'kaal getragen, über Dorns Schnellen hinweg und durch den See von Alvanere.

Wenn wirklich jemand jemals Lieder über sie sang, dann sollte der Name dieses Schiffes darin enthalten sein.

Delley hatte ein großes Ohr an die Schiffshülle gedrückt. "Gleich, gleich! Ich höre..."

Khiray begann tief durchzuatmen. Hitzeschleifen produzierten beachtliche Mengen von Energie. Genug, um die Kessel in kürzester Zeit zum Kochen zu bringen.

Und darüber hinaus.

Galbrens Stimme war verstummt. Hatte er seine Rede beendet oder nur aufgegeben, weil niemand ihm mehr antwortete?

"Achtung!" flüsterte Delley atemlos. "Drei... zwei... eins... jetzt!" Er atmete ein und tauchte weg. Khiray folgte ihm sofort, stieß sich von der Bordwand ab und schwamm um sein Leben.

Um Fryyk mußte er sich keine Sorgen machen; der Otter konnte länger unter Wasser bleiben als er und Delley zusammen. Wenn irgend etwas schiefging, würde Fryyk überleben, um Saljin und die anderen zu informieren.

Er sank schnell tiefer, fast schneller, als er vorankam. Das Gold! Der Gürtel zog ihn hinab. Nun, um so besser. Je mehr Wasser zwischen ihm und dem Schiff lag...

Die Druckwelle wühlte den Fluß auf, früher als erwartet, zu früh. Khiray konnte nichts hören, aber er hatte das Gefühl, von einem Hammer getroffen zu werden. Die Faust eines Riesen preßte die Luft aus seinen Lungen.

Er konnte im trüben, schmutzigen Hafenwasser kaum etwas sehen, verlor die Orientierung, trieb durch die schlammige Brühe. Er mußte nach oben, an die Oberfläche - Luft holen. Galbrens Bogenschützen konnten kaum mehr da sein. Diejenigen, die die Explosion überlebt hatten, waren jetzt sicher auf der Flucht. Bestechungsgelder hin oder her, die Autoritäten der Stadt würden diese Detonation nicht einfach übersehen.

Das Gold zog ihn noch immer nach unten. Es war zu schwer, hing wie ein Stein um seine Mitte. Aber er konnte es nicht ablegen! Es war sein letztes Vermögen. All seinen restlichen Besitz hatte er mit der 'Ansicc' zerstört. Und wo war der Seesack?

Wenn er das Gold in den Schlamm sinken ließ, war er ein Bettler. Er konnte die Fuchstauren für ihre Mühen nicht entlohnen, er konnte nicht dafür sorgen, daß Saljin die benötigte Medizin heimbrachte.

Wasser drang in seine Schnauze. Bettler oder nicht, er hatte keine Wahl. Er öffnete die Gürtelschnalle. Das Gold versank so schnell, daß er ihm nicht einmal nachsehen konnte.

Oben - oben war die andere Richtung. Er schwamm, von der Last befreit, dem schwachen Lichtschein entgegen. Nach einer Ewigkeit durchbrach er den Wasserspiegel.

Die 'Silberne Ansicc' brannte. Die Explosion der Kessel hatte die Aufbauten zerfetzt, die Schaufelräder aus der Verankerung gerissen und den Rumpf gespalten. Das Schiff sank langsam. In dem feurigen Inferno konnte kein Söldner überlebt haben. Trümmerstücke waren über den Kai verstreut oder dümpelten im Wasser.

Sein Zuhause. Seine Heimat. Khiray hatte sein ganzes Leben auf diesem Schiff verbracht. Seines Vaters Besitz. Das Erbe seiner Mutter. All die kostbaren Kleinigkeiten, an denen sein Herz hing, zerstört in einer Sekunde.

Aber Galbren war tot. Seine Leiche war nicht zu sehen - ein paar Soldaten lagen auf dem Kai, und ein oder zwei trieben im Wasser, doch die Explosion hatte vermutlich die meisten von ihnen in Stücke gerissen. Einige - die, die weiter weg auf der Mole gestanden hatten - mochten noch am Leben sein. So dicht, wie der Gouverneur vor der Tür des Maschinenraums gestanden hatte, war es jedoch kaum denkbar, daß er zu den wenigen Überlebenden gehörte.

Khiray folgte Delley ans Ufer. Sie umschwammen die sinkende 'Ansicc' in einem großen Bogen und gingen an einer Treppe zweihundert Meter weiter an Land. Der Fuchs setzte sich auf die Kaimauer und ließ die Beine hängen. Er fühlte sich leer und einsam.

Niemand kam. Fryyk war verschwunden. Am gegenüberliegenden Flußufer liefen aufgeregte Fellige hin und her, doch auf dieser Seite hatten sich alle schleunigst in Sicherheit gebracht. Niemand wollte von der Stadtpolizei befragt werden.

Schließlich stand Khiray auf, schüttelte sich und wrang seine Weste aus. Es hatte keinen Zweck, hier zu warten. Er mußte nach Saljin sehen. Seine wenigen Münzen, die er noch im Beutel hatte, sollten einen schnellen Wagen mieten können. "Delley?"

Die Ratte spähte über den Kai. "Warte. Da kommt Fryyk."

Der Otter schwang sich auf das Pier. Er hatte Khirays Goldgürtel und den Seesack dabei. "Ih! Dieses Wasser ist eine Beleidigung für jeden Otter!"

"Fryyk!" Khiray hätte fast "Das Gold!" gerufen, aber er beherrschte sich gerade noch rechtzeitig.

Der Otter sah ihn konsterniert an. "Sicher. Hast du gedacht, ich würde ertrinken?" Er kicherte wie über einen guten Witz. Nun, für Otter war es wahrscheinlich nichts anderes. "Ich muß sagen, du hast Glück, daß ich dich habe untergehen sehen. Ihr Füchse habt einen Schwimmstil wie ein Stein mittlerer Größe. Ich wollte dir gerade ein bißchen helfen, als du den Gürtel fallengelassen hast. Wenn der im Schlamm gelandet wäre, hätte nicht einmal ich ihn wiedergefunden." Er schnüffelte an seinem Fell. "Oh weh! Ich brauche ein Bad! Gibt es hier nirgendwo ein bißchen sauberes Wasser? Dieser Fluß ist das schmutzigste Gewässer, in dem ich je geschwommen bin!"

Dankbar schnallte Khiray das Gold wieder um. Dann öffnete er den Seesack und nahm die durchweichten Bücher heraus. Nun, wenn man sie ordentlich trocknete, konnte man sie vielleicht noch einmal lesen.

Das war jetzt sein Vermögen, alles, was er besaß. Genug für einen Neuanfang, wenn auch nicht auf einem eigenen Schiff. Die Schulden, die sein Vater bei Galbren gehabt hatte, waren nun wohl hinfällig. Chinnaps Familie war erloschen.

Er sah zurück zum Wrack seines Schiffes. Es war Galbrens Schuld. Nichts anderes. Sollte der Drunfürst dafür sorgen, daß es entfernt wurde.

Khiray verhärtete sein Herz gegen den stechenden Schmerz, wandte den Ruinen seiner Vergangenheit den Rücken zu und marschierte auf die Stadt zu, gefolgt von Fryyk und Delley. Er ignorierte den keifenden Hafenmeister, der endlich aus seinem Versteck kam und mehr Gold für seinen Schrecken forderte, und verschwand zwischen den Häusern, auf der Suche nach einem Wagen, der ihn zum Osthafen bringen würde.


Ende von Kapitel Fünfundzwanzig