Kapitel Vierzehn


Pallys' Eröffnung traf Khiray schwerer als Saljin. Dies war nicht ihr Land, nicht ihre Welt. Ihre Heimat lag jenseits der Berge. Das Fuchstauren-Gebiet war nicht in Gefahr, wenn sie das Kaninchen recht verstanden hatte: die Erzengel würden die Dämonen schlagen, ehe diese den Krieg über die ganze Welt tragen konnten. Für Saljin war der Armygan ein fremder Ort voller fremder Völker, und die Schrecken, die sie hier bereits erfahren hatte, machten es nicht leicht, Mitgefühl für die zukünftigen Opfer eines möglichen Dämonenkrieges zu empfinden.

Ihre eigene Lage war aber auch so schwierig genug. Sie hatte Khiray nie im Einzelnen dargelegt, was sie bewegte; sie wollte ihn nicht zusätzlich belasten. Saljin zweifelte auch daran, ob es ihn etwas anging oder ob er es verstehen würde; dies war eine Frage der Fuchstauren-Ehre, und was wußte Khiray schon von ihrem Volk? Wie vertraut war er ihr geworden? Konnte sie es ihm überhaupt erklären?

Mit Khiray zu schlafen war eine Sache, ihm zu vertrauen war eine andere. Nicht, daß sie seine guten Absichten nicht erkannt hätte. Der Fuchs war zweifelsohne mutig und gutherzig, vielleicht sogar selbstlos, und er hatte einen starken Sinn für Gerechtigkeit. Er war intelligent und geschickt in seinem Handwerk, der Flußfahrt. Vielleicht war er manchmal etwas blind für die Gefahr, zu draufgängerisch und tollkühn, aber sie wußte, was er ihr gegenüber empfand, und ein guter Teil dieser Tollkühnheit war die Schuld dieser schlecht verborgenen, irritierenden Liebe zu einem Wesen eines anderen Volkes - einer anderen Spezies. Und er war ein guter Liebhaber, das zweifellos, mit jener Mischung aus Sanftheit und Feuer, die sie besonders schätzte, zärtlich und geschickt und offenbar erfahren. Nicht ganz so gut ausgestattet wie ein männlicher Fuchstaur, aber sie gehörte nicht zu denen, die bloßen Ausmaßen einen höheren Wert zubilligten als der Person dahinter, und außerdem wußte sie sehr genau, welche Punkte ihr das höchste Vergnügen bereiteten, und man benötigte definitiv keinen halben Meter, um sie zu erreichen.

Er war ein guter Fuchs. Und vielleicht hätte sie seine Liebe erwidern können, obwohl sie sich niemals so Schwanz über Kopf in eine tiefe Beziehung gestürzt hätte. Sie war ein Krieger. Sie hatte ihre Gefühle unter Kontrolle. Und sie wußte es besser, als daß sie den Ausdruck "für immer" benutzt hätte.

Aber er hatte ihr das Leben gerettet. Das schuf eine Schuld zwischen ihnen, die ihrem Gefühl oder ihren Wünschen immer im Wege stehen würde. Sie war ihm verpflichtet, nach den alten Sitten und Regeln der Fuchstauren, und er wußte es nicht einmal. Ihre eigenen Pläne, ihre früheren Verpflichtungen mußten dahinter zurückstehen; sie würde an seiner Seite bleiben, bis sie ihm das Leben retten und damit die Schuld zurückzahlen konnte - oder bis er sie freigab oder einen Preis dafür nannte.

Saljin war nicht seine Sklavin; selbst wenn Khiray sich der Situation bewußt gewesen wäre, hätte er sie nicht zu etwas zwingen können, was ihrer Ehre widersprach. Sie mußte nicht mit ihm schlafen - sie hatte es getan, weil sie ihn mochte. Sie mußte nicht für ihn töten, lügen, stehlen oder betrügen. Aber auf vielfältige Weise war sie für sein Wohlergehen verantwortlich.

Und sie konnte ihm nicht einmal erklären, was zwischen ihnen stand. Hätte sie es getan, er hätte sie sofort von jeder Schuld freigesprochen. Aber es wäre nicht aus freien Stücken geschehen, sondern weil er sich dazu verpflichtet gefühlt hätte, und die wahre Pflicht wartete nicht auf seiner, sondern auf ihrer Seite. Und wie hätte es sich für seine Ohren angehört, wenn sie ihm die Situation erklärt hätte? "Gib mich frei, ich will diese Verpflichtung nicht, ich will nach Hause, weg von hier - und dir." Er hätte in seiner Unwissenheit sogar angenommen, daß sie nur aufgrund dieser Schuld mit ihm geschlafen hatte. Saljin konnte nicht zulassen, daß er in dieser Weise verletzt würde. Die Zärtlichkeit, die sie für ihn fühlte, erlaubte es so wenig wie die Pflicht.

Daher fürchtete sie auch, daß Khiray sie bitten würde, bei ihm zu bleiben. Natürlich konnte selbst ihre Verpflichtung dies nicht erzwingen - sie machte den Schuldner nicht zum ewigen Sklaven seines Retters. Aber eine solche Bitte in einer solchen Lage hätte ihrer Beziehung eine falsche Bedeutung gegeben. Sie konnte nicht ja sagen; nicht, solange sie nicht frei von ihrer Schuld ihm gegenüber war. Ein Ja war nur möglich zwischen Gleichgestellten. Und natürlich konnte sie genausowenig nein sagen. Ein Nein war nicht das, was sie ausdrücken wollte. Sie konnte sich durchaus vorstellen, an Khirays Seite zu bleiben, eine Zeitlang... einige Jahre... die Welt zusammen mit ihm zu erkunden statt mit Angehörigen ihres Clans.

Vielleicht ein Leben lang, obwohl sie den Fuchs noch nicht lange genug kannte, um eine solche Entscheidung zu treffen. Und Verbindungen zwischen den Rassen waren unfruchtbar - Beziehungen dieser Art hatte es früher schon gegeben, wenn auch nicht allzu häufig, und sie wußte, daß nicht einmal die Zweibeiner-Rassen untereinander oder mit den Men'schin Welpen haben konnten. Fuchstauren und Men'schin übrigens auch nicht; es gab da eine Geschichte über einen Händler der Men'schin und eine schneeweiße Fuchstaurin aus den Bergen, die... aber sie wollte sich jetzt nicht an diese alten Geschichten erinnern. Jedenfalls würde sie niemals Welpen von Khiray haben können, und früher oder später würde dieser Wunsch in ihr erwachen, spätestens, wenn ihre Wanderjahre sich dem Ende zuneigten. Sie mußte dann auf die Suche nach einem passenden männlichen Fuchstauren gehen, der ihr als Vater ihrer Welpen geeignet schien und der bereit war, auf seine Rechte an ihrem Nachwuchs zu verzichten. In jeder Hinsicht außer einer würden die Welpen Khirays sein. Und dann... Was würde Khiray dazu sagen? Sie kannte die partnerschaftlichen Gewohnheiten der Felligen im Armygan nicht genau. Unter Fuchstauren herrschten lockere Beziehungen vor; der Clan und der Stamm waren wichtiger als die Familie, die im Armygan und unter Men'schin so bedeutsam schien.

Fuchstauren gingen eine Partnerschaft ein und trennten sich wieder in gutem Einvernehmen, wenn sie das Gefühl hatten, daß ihre Beziehung an einem toten Punkt angelangt war. Manchmal waren es nur kurze Affären, manchmal jahrelang lodernde Flammen der Leidenschaft. Manche Paare einigten sich auf eine gewisse Treue in sexueller Hinsicht, andere pflegten eine offene Zweisamkeit. Es gab auch Dreier- und Viererbeziehungen, die Saljin nie bei Men'schin oder Armygan-Felligen gesehen hatte, einige über viele Jahre stabil und untereinander treu.

Und wenn eine Beziehung endete, so leidenschaftlich sie auch gewesen sein mochte, so trauerten nur wenige Fuchstauren ihr nach. Es war eine angenehme Erinnerung, eine schöne Zeit, aber nichts war für immer, nicht einmal das Leben selbst. Und ein Partner war nicht der Clan. Es gab immer einen anderen Liebhaber, aber der Clan blieb.

Was Welpen anging, so waren die Meinungen geteilt. Manche Fuchstauren legten Wert auf eine treue Beziehung, um Welpen zu bekommen. Nicht daß ein Vater so wichtig war wie der Clan, aber eine gewisse Bedeutung hatte er doch. Auch männliche Fuchstauren wollten gern ihre Blutline fortführen und ihre eigenen Kinder sehen - auch wenn sie sich in dieser Hinsicht nie völlig sicher sein konnten. Andere Fuchstauren - Fuchstaurinnen - verzichteten ganz auf Väter, nahmen sich mehr oder minder schnell wechselnde Liebhaber und überließen die Empfängnis dem Zufall, oder sie suchten sich einen Liebhaber als Erzeuger aus, benutzten ihn in den kritischen Tagen und verließen ihn wieder. Es gab genug männliche Fuchstauren, die nie nach ihren Kindern fragten. Kinder waren wichtig - aber Väter waren nicht der Clan.

Saljin wußte sogar von Fuchstaurinnen, die noch während ihrer fruchtbaren Tage mehrere Liebhaber hatten. Zwillinge und Drillinge waren unter Fuchstauren nichts Ungewöhnliches - und bei einer solchen Verbindung stammten sie gelegentlich tatsächlich von verschiedenen Vätern, so daß Geschwister aus ein und demselben Wurf in Wahrheit nur Halbgeschwister waren.

Unter Men'schin konnte man solch ein Thema nicht einmal zur Sprache bringen. Als Saljin im Norden unterwegs war, wo mehr Men'schin-Händler ihre Ware anboten als sonst im Fuchstauren-Gebiet, hatte sie es einmal versucht und nur eisiges Schweigen geerntet. Men'schin hatten keine Clans, ihre Familien bestanden aus einem Paar und ihren Kindern. Sie versprachen sich die 'Ehe', lebenslange Treue, die oft genug gebrochen wurde, was man aber geflissentlich totschwieg. In der Öffentlichkeit legten Men'schin keinen Wert auf Sex oder Gespräche über Sex, was sie aber heimlich reichlich nachholten. Männliche Men'schin sprachen häufig ihren Frauen das Interesse oder die Lust am Sex ab, was allerdings bei den wenig ansprechenden Liebesspielen der Zweibeiner kein Wunder war.

Ohne die Unterstützung eines Clans waren die Men'schin-Frauen gezwungen, bei einem Partner zu bleiben, der sie und die Kinder ernährte. Das allein verwirrte Saljin: warum bildeten die Men'schin keine Stämme? Unter den Haarlosen schien eine versteckte Feindseligkeit zu herrschen, die Nachbar gegen Nachbar hetzte, stets neidisch, stets aggressiv, in einem ewigen Wettbewerb gefangen und nur selten zur Kooperation bereit.

Men'schin waren ein Rätsel. Das größte Tabu unter ihnen waren sexuelle Beziehungen zu den Felligen des Armygan oder gar zu den Fuchstauren. Die Geschichte des Händlers und seiner weißen Geliebten war unter den Fuchstauren allgemein bekannt und beliebt, handelte sie doch davon, wie Liebe (so flüchtig sie auch sein mochte) die Grenzen des Geistes und die Fremdheit der Völker untereinander überwand. Für die Men'schin war dieselbe Geschichte ein Musterbild der Verworfenheit und Verruchtheit. Offiziell gab es solche Kontakte nicht. Sie besaßen eine solche Aura des Verbots, als seien sie gleichbedeutend mit dem Kopulieren von Men'schin mit einem ihrer zahlreichen Haustiere (was Saljin zwar etwas seltsam vorkam, aber solange die Tiere nicht verletzt oder gequält wurden, sah sie mit einem Achselzucken darüber hinweg). Ganz so, als disqualifiziere ein Fell ihre Spezies und die Felligen des Armygan als intelligente Wesen.

Ungeachtet dessen kannten sowohl Men'schin-Männer als auch -Frauen die Geschichte. Weder hätten sie dem anderen Geschlecht gegenüber zugegeben, sie zu kennen, noch waren die Männer bereit, einzugestehen, daß die Frauen sie kannten und umgekehrt. Und natürlich hatten sowohl die Männer als auch die Frauen ihre ganz eigenen Ansichten darüber, was die Geschichte bedeutete - jenseits des offiziellen Leugnens und der Entrüstung, natürlich.

Die Geschlechter schienen sich so sehr zu unterscheiden, daß es Saljin schwer vorstellbar erschien, wie sie jemals zueinander fanden. Kein Wunder also, daß auch gleichgeschlechtliche Beziehungen unter einem der zahllosen Tabus standen. Männer und Männer, Frauen und Frauen... undenkbar! Solche "Abartigen" hatten sich gefälligst zu verstecken und unerkannt zu bleiben.

Unter Fuchstauren waren homosexuelle Affären nicht allzu ungewöhnlich (wesentlich gewöhnlicher jedenfalls als Beziehungen zu Tieren); fast jeder versuchte sich gelegentlich daran. Für die meisten war es nur eine Phase; einige blieben ihr Leben lang dabei, andere gingen Beziehungen zu Männern wie Frauen gleichermaßen ein, besonders in Dreier- oder Vierergruppen. Niemand regte sich darüber auf: Es war nicht der Clan.

Saljin wußte nicht allzuviel über die sexuellen Gewohnheiten und Tabus der Felligen im Armygan; sie konnte nur sagen, daß sie weniger von Verboten und Geheimnissen gehemmt waren als die Men'schin, aber nicht so frei wie die Fuchstauren. Sie hatten keine Clans.

Khiray würde sicherlich Wert auf eine treue Beziehung legen. Familien hatten im Armygan einen ähnlich hohen Stellenwert wie unter den Men'schin, und viele Paare blieben tatsächlich ein Leben lang zusammen. Wenn es zu der Frage kam, ob sie Welpen haben würden...

...und wer der Vater sein sollte...

...konnte der Fuchs diesen Gedanken ertragen? Würde seine Liebe daran zerbrechen, oder war er stark genug, zusammen mit ihr den männlichen Fuchstauren auszusuchen, der ihren Wunsch verwirklichen würde?

Saljin schüttelte den Kopf. Zu früh, solche Überlegungen anzustellen! Viel zu früh, daran auch nur zu denken! Sie mußten überleben - aus der Misere herauskommen, den Dämonen entfliehen. Khiray würde tun, was seine Ehre ihm zu tun gebot. Hätte er es nicht versucht, hätte er weniger Stärke gezeigt, so hätte Saljin gar nicht erst daran gedacht, wie es wäre, mit ihm zusammen zu sein. Und sie würde, wie es ihre eigene Ehre verlangte, ihn nach Kräften unterstützen.

Aber dies war nicht der einzige Punkt, über den sie nachdenken mußte. Sie und ihre Reisegefährten hatten die Handelsware verloren - gestohlen von Galbren oder in den Staub getreten von der aufgebrachten Menge - und die Medizin, die sie benötigten, nicht erhalten. Selbst wenn sie genug Geld aufbringen konnte, um dafür zu zahlen - und wie hätte sie das fertigbringen sollen? -, gab es keine Möglichkeit, irgendwo einzukaufen. Bis Drun'kaal würden sie auf der Flucht sein, und wenn Pallys recht behielt, auch jenseits des Hafens. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, die Medizin dennoch in Drun'kaal zu beschaffen. Sie hatte kaum eine andere Wahl. Ihr Volk benötigte sie. Zwar stimmte es, daß stets genügend Vorräte vorhanden waren, aber wenn der Krieg den Armygan zerriß, würden sie nichts mehr kaufen können. Die vorhandene Menge mußte für viele Jahre reichen - Jahrzehnte, vielleicht ein Jahrhundert, bis man sich wieder sicher in den Armygan wagen konnte.

Es wäre nützlich, wenn die Medizinpflanzen auch im Fuchstauren-Gebiet wüchsen. Aber es hatte derartige Versuche gegeben, und sie waren alle gescheitert. Die Erde stimmte nicht, der Sumpf war nicht sumpfig genug, das Wetter machte den Setzlingen den Garaus, oder eine Überschwemmung riß die ganze Pflanzung weg. Nur wenig hatte je geerntet werden können.

Und es war nicht ihr Clan allein, der die Medizin benötigte, erkannte sie erschrocken. Alle Clans, alle Stämme brauchten sie! Und außer ihr wußte niemand davon, daß ihre Quelle für Jahrzehnte versiegen würde. Niemand würde ausreichende Vorräte anlegen. Wenn sie es schaffte, genug Medizin für ihren Clan nach Hause zu schaffen, wäre ein Grund für einen neuen Krieg vorhanden. Die Fuchstauren lebten schon lange in Frieden untereinander, es sei denn, ein mächtiger Magier griff einmal mehr nach der Herrschaft. Aber wie hätten die Clans ihre Kinder sterben lassen können? Wie hätte ihr eigener Clan die Medizin für sich behalten können - oder sie teilen, wenn nicht genug zum Teilen da war? So viele Jahre des Überflusses hatten das Aufkeimen von Neid verhindert. Aber die Medizin war etwas, das es nicht im Überfluß geben würde, etwas, wofür alle Fuchstauren kämpfen würden, und man konnte niemandem wirklich dafür die Schuld geben.

Außer den Dämonen - und Gouverneur Galbren, der sie gerufen hatte.

So sollte also das Böse sich selbst in ihr Land ausbreiten! Saljin ballte die Fäuste. Gab es denn gar kein Ende des Übels? Die Aussicht auf einen Krieg in ihrem eigenen Volk beanspruchte ihre Ehre vielleicht noch mehr als die Verpflichtung Khiray gegenüber. Pallys sagte, der Armygan sei verloren, Khirays Heimat. Nun sah es so aus, als sei auch das Land ihrer eigenen Ahnen in Gefahr. Aber während Khiray nichts tun konnte, hatte sie noch eine Chance. Sie hatte kein Geld - aber Khiray hatte einen kleinen Vorrat an Gold. Er hatte es ihr selbst gesagt. Die Medizin war nicht billig, wurde aber auch nicht in Silber aufgewogen. Khirays Gold würde in Drun'kaal eine Schiffsladung der Medizin erkaufen, genug für viele Clans und lange Zeit. Genug, um es den Stämmen zu ermöglichen, sich zu versammeln und das weitere Vorgehen zu beraten, wenn der Krieg den Armygan wirklich verschlingen würde. Sie konnten das Eingreifen der Erzengel abwarten und hinterher mit den überlebenden Felligen handeln. Oder selbst in den Armygan ziehen und dort die Pflanzen ernten, wenn es nicht genug Überlebende hier geben sollte. Wenn sie die Medizin bekam, hing das Schicksal der Fuchstauren jedenfalls nicht mehr von dem der Felligen ab.

Khiray würde ihr das Gold geben. Er wußte, um was es ging. Er würde nicht zulassen, daß die Kinder ihres Volkes starben. Sein Gold konnte die Sicherheit des Armygan nicht erkaufen, aber für die Fuchstauren viel Gutes tun.

Und wenn nicht?

Das Leben des jungen Fuchses hatte gerade erst begonnen. Er hatte seinen Ruf verloren, er würde sein Schiff zurücklassen müssen - es sei denn, er verkaufte es an einen Ahnungslosen -, und er würde alles Gold benötigen, um sich den Weg in ein anderes Land zu erkaufen, eine neue Existenz. Wenn er bei Pallys blieb, konnte dieser ihm sicherlich helfen. Aber wenn die beiden als mittellose Wanderer an fremden Gestaden erschienen, würden ihnen alle Türen verschlossen bleiben. Sie benötigten Gold...

Aber die Fuchstauren konnten ihnen Asyl bieten, eine neue Heimat, von der aus sie später problemlos zurückkehren konnten. Es hätte wie ein Kuhhandel ausgesehen - gib mir das Gold, ich gebe dir ein neues Zuhause! Das war es natürlich nicht; die Fuchstauren hätten Khiray und Pallys auch so aufgenommen. Es war ja nicht Nahrung oder Platz, an dem es mangelte, und eine helfende, fleißige Hand war immer willkommen in ihrem Volk. Khiray würde es verstehen.

Und wenn nicht?

Wenn er sich verletzt und beleidigt fühlte? Saljin wußte um die Wichtigkeit des Stolzes. Sie selbst war jung. Gold gegen Asyl. Nein, er würde darauf nicht eingehen. Vielleicht würde er nicht einmal die Wahrheit erkennen, wenn sie ihm alles ausführlich erklärte.

Trotzdem: Er hatte geweint, als er erfuhr, wozu die Fuchstauren das Geld benötigten. Saljin konnte sich nicht vorstellen, was die Schrecken ihrer Flucht aus ihm machen würden, aber sie war sich sicher, daß er niemals Welpen dem Tod überlassen würde. Er hatte eine Wahl.

Und wenn nicht?

Dann würde sie ihre Ehre verlieren. Die Pflicht gegenüber ihrem Volk, die Pflicht gegenüber den Vielen, wog schwerer als die Verpflichtung gegenüber einem Einzelnen. Sie würde das Gold stehlen.

Sie würde Khiray dadurch verletzen - er vertraute ihr. Er würde ihr niemals vergeben. Und sie würde hart arbeiten müssen, um ihre Ehre nach einem solchen Verrat wiederherzustellen, falls ihr das innerhalb einer Lebensspanne überhaupt möglich wäre. Ohne ihn und Pallys würde sie ein eigenes Schiff auftreiben müssen, das sie nach Hause fuhr. Vielleicht gab es Fuchstauren in Drun'kaal.

Was, wenn Khiray sie bei dem Diebstahl ertappte? Wenn sie ihm sagte, wozu sie das Gold benötigte, und er ablehnte, würde er in ihrer Achtung sinken, aber die Verpflichtung bliebe weiterhin bestehen. Sie würden kämpfen, obgleich sie das weder wollte noch durfte.

Konnte sie ihn töten? Konnte sie es wirklich, wenn es dazu kam, wenn sie keine andere Wahl mehr hatte? Er hatte ihr das Leben gerettet und das seine dafür aufs Spiel gesetzt. Sie war der bessere Kämpfer; vielleicht konnte sie ihn überwältigen, ohne ihn zu töten...

...und ihn ohne Gold zurücklassen, um als Bettler in die Fremde zu ziehen?

Sie lachte bitter. Hatte sie nicht gerade überlegt, wie sie zusammen Welpen haben konnten? Und jetzt spekulierte sie mit seinem Tod? Nein, sie konnte es nicht. Sie mußte Vertrauen haben. Sie mußte daran glauben, daß er das Richtige tat, die richtigen Worte fand. Sie konnte ihn nicht töten.

Vertrauen haben.

Es fiel ihr so unendlich schwer.

* * *

"Schiff voraus!" Pakkahts Stimme erklang von oben. "Otter!"

Saljin eilte zum Bug. Der Fluß war an dieser Stelle wieder etwas breiter und langsamer, dennoch raste die 'Silberne Ansicc' dahin. Khiray hatte nicht die Absicht, zu stoppen. Einige der Otter sprangen bereits über Bord, die anderen liefen aufgeregt herum.

Khiray hatte nicht die Absicht, die Otter weiter in Gefahr zu bringen, falls die Dämonen im Hinterhalt auf sie warteten. Saljin wußte, daß er mit den Wasser-Felligen ausgehandelt hatte, sie bei der ersten Gelegenheit von Bord gehen zu lassen.

Vier Otter trugen den verletzten Kaslin-Ray an Deck und schafften ihn zu den Beibooten. Die 'Ansicc' verfügte über vier Beiboote, zwei größere und zwei kleine. Fryyk und Khiray dirigierten die Ausschiffung. Saljin konnte nur zusehen; von Flußfahrer-Dingen verstand sie nichts. Hölzerne Schwenkarme mit starken Tauen hielten die Boote. Otter schwärmten über die Gestelle und brachten den Mechanismus in Bewegung. Eines der kleinen Boote wurde herabgelassen, Kaslin-Ray darin verstaut, dann schwenkten die Otter es aus und ließen es vorsichtig herab.

Delley hatte die Maschinen gestoppt, die Schaufelräder standen still. Durch den eigenen Schwung und die Strömung getragen, fuhr die 'Ansicc' noch immer mit hoher Geschwindigkeit, aber die Turbulenzen, die die Räder erzeugten und das Ausschiffen erschwert hätten, waren nicht mehr vorhanden. Um gänzlich zu stoppen, hätte Delley Gegenschub geben müssen: das fremde Otterschiff hatte am Ufer angelegt. Saljin konnte es jetzt deutlich sehen.

Das Beiboot glitt unten ins Wasser, gesichert von Ottern darin und im Wasser. Sie konnten mühelos mit dem Schiff mithalten.

"Ich wünschte, ich hätte ein paar Otter in der Mannschaft", murmelte Khiray. "Sie würden manches einfacher machen."

Fryyk nickte. "Der Wunsch geht in Erfüllung. Zehn von uns bleiben an Bord."

Saljin sah Khiray zusammenzucken. "Ich hatte nicht gemeint... ich meine, ich wollte nicht..."

Fryyk spuckte über die Reling (mit dem Wind). "Wir haben es bereits beschlossen. Die zehn besten Flußfahrer unter uns werden dich über Dorns Schnellen begleiten. Ihr macht in Bärenberg Halt; dort gehen die anderen von Bord. Ich werde bleiben. Ich will wissen, wie diese Fahrt ausgeht!"

"Das geht nicht, ich meine, wir können nicht... Es ist gefährlich! Ich habe kein Recht, euch in Gefahr zu bringen."

"Wir sind Otter. Wir kennen Dorns Schnellen. Ihr braucht uns, um das Schiff an den Riffen vorbeizubringen, besonders jetzt, wo ihr ein Mannschaftsmitglied verloren habt. Und wenn ihr wirklich scheitert, nun ja, wo ihr ersauft, können wir uns noch allemal retten."

Wie herzig. Saljin seufzte.

"Ich meinte die Dämonen!" Khiray schüttelte den Kopf. "Vielleicht sind sie schon in Bärenberg."

"Unsere Sache. Ich glaube nicht, daß die Dämonen uns verfolgen werden, ehe sie euch erwischt haben. Wahrscheinlich können sie einen Otter nicht vom anderen unterscheiden. Und wenn sie doch hinter uns her sind, nun, das beweist nur, daß sie noch gefährlicher sind als wir annehmen, und ihr braucht dann jede Hilfe, die ihr bekommen könnt." Er grinste verschmitzt. "Und wir brauchen etwas Abwechslung. Otter sind neugierig!"

Der Fuchs verschränkte die Arme. "Wie lautet das Sprichwort? Neugierde tötet den Otter."

"Die Katze. Unvorsichtiges Volk, nebenbei. Also willst du unsere Hilfe oder nicht?"

Khiray senkte den Kopf. "Ihr seid willkommen. Du hast recht, wir können jede Hand gebrauchen, insbesondere die Hand von so fähigen Flußfelligen wie euch."

Fryyk strahlte. "Gut!" Er rief den anderen Ottern etwas zu. Das Boot mit Kaslin-Ray - der nicht einmal aus dem Dämmerschlaf erwacht war - hatte bereits die halbe Strecke zum Otterschiff zurückgelegt und war weit hinter ihnen geblieben. Nun begann der Exodus der übrigen Otter: an allen Stellen des Schiffs, von allen Decks, sprangen sie ins Wasser, tauchten Dutzende Meter durch den Fluß und schwammen gen Ufer. Nur eine Handvoll blieb zurück, denen selbst Saljin ansehen konnte, daß sie fähige Seeleute waren: jung, aber nicht zu unerfahren, kräftig, sehnig, drahtig. Sie bewegten sich mit der Selbstsicherheit, die anzeigte, daß sie das Schiff als ihr eigen betrachteten.

Khiray eilte hinauf in die Steuerkabine. Fryyk wies den Ottern einen Platz zu und starrte dann heckwärts auf das zurückbleibende Schiff. Die ganze Aktion hatte nur wenige Minuten in Anspruch genommen. Saljin kam an Fryyks Seite. "Der andere Kapitän wird ziemlich überrascht sein."

"Ich weiß nicht..." Der Otter deutete auf den Ladebaum. Saljins Blick folgte seinem Finger. "Wir haben ein paar Flaggensignale gegeben. Sie wissen da drüben, daß ein paar von uns an Bord kommen und einen Verletzten mitbringen."

"Ein paar!" Saljin kicherte.

"Flaggensignale sind nicht unbedingt geeignet, größere Zahlen zu übermitteln. Der andere Kapitän wird uns aber schon beobachtet haben. Er wird helfen."

"Und wenn er an einen Überfall glaubt?"

"Otter als Piraten? Das wäre jedenfalls mal etwas Neues. Nein, unser Volk ist freundlich. Besonders uns selbst gegenüber. Schon wahr, da drüben sind wahrscheinlich viel weniger Otter, als jetzt neu dazukommen. Aber sie werden das schon regeln. Das ist meine geringste Sorge. Und dann werden sie die ganze Geschichte verbreiten." Fryyks Schnauze nahm einen grimmigen Zug an. "Die Dämonen werden es noch bereuen, ein Otterdorf niedergebrannt zu haben."

"Niemand von euch wurde verletzt."

"Was nicht das Verdienst der Dämonen ist. Und die Ratte wurde verwundet, während sie unser Gast war. Unten in den großen Städten mag die Gastfreundschaft nicht mehr das sein, was sie einmal war, aber hier am Otterpfad wird sie immer noch geachtet."

"Was wird jetzt geschehen?" fragte Saljin nachdenklich.

Fryyk grunzte nur. "Sie werden Kaslin-Ray versorgen, die Mannschaft warnen und dann ganz vorsichtig weiter flußabwärts fahren. Oder meintest du hier, bei uns?"

Die Fuchstaurin schüttelte den Kopf. "Ich mache mir nur Sorgen." Natürlich konnte sie auch Fryyk nicht das ganze Ausmaß ihres Problems klarmachen. Vielleicht hätte er es nicht einmal verstanden, er war ein Otter. Aber die Wasserbewohner schienen noch am ehesten so etwas wie Clans zu haben - große Familien und ein freundliches Volk.

Doch sie konnte sich nicht dazu durchringen, sich Fryyk zu offenbaren. Es war fast so, als sei sie in Geheimnissen gefangen wie Pallys - unfähig, ihre Gefühle und ihre Ängste mit anderen zu teilen. Dies war nicht ihr Volk oder ihr Land. Sie war eine Fremde. Und während sie sich verzweifelt wünschte, zumindest von einem Teil ihrer Last, ihrer Pflicht befreit zu sein, war Khiray doch der einzige, dem sie so weit vertraute, daß sie ihm alles erzählt hätte. Mit Khiray aber konnte sie nicht sprechen, nicht ehe er sie freigegeben hatte... und das würde niemals geschehen.

Die Wahrheit... einfach die Wahrheit... tun, was getan werden mußte... Khiray verstand nicht, was Pallys dazu trieb, mit der Wahrheit nur in kleinen Stücken herauszurücken. Saljin verstand das Kaninchen dagegen sehr gut.

Es mußte einen Weg geben, den Knoten aufzulösen. Es mußte einfach.

Sie versuchte sich auf andere Gedanken zu bringen. "Fryyk?"

"Hm?"

"Woher weißt du, daß das andere Schiff flußabwärts fährt? Es lag vor Anker!"

"Zu groß." Der Otter sah sie kurz an, dann wandte er sich wieder dem Fluß zu. "Otterschiffe sind meistens kleiner. Die großen kommen selten bis hierher. Je kleiner, um so besser können sie die Schnellen überwinden. Große Schiffe können nur flußabwärts über die Schnellen, aber nicht gegen die Strömung. Das Schiff da hinten gehört zu denen, die den Otterpfad abwärts fahren und auf dem Langen Lauf zurückkehren, immer in einer Richtung. Nur die kleinen Schiffe machen die Fahrt den Otterpfad hinauf. Die meisten großen sind auf diesem Fluß gar nicht unterwegs; es gibt auch nicht viele von der Sorte."

Saljin betrachtete den Fluß. Delley hatte die Maschinen wieder anlaufen lassen. Das Wasser schäumte, jedoch nicht nur vom Drehen der Räder allein. "Der Otterpfad ist hier schon schnell genug. Es muß doch schwierig sein, ein Schiff gegen diese Strömung zu segeln! Wie ist das dann erst bei den Schnellen?"

Fryyk lächelte. "Das hier geht noch. Gegen solche Strömung segeln wir schon bei einigermaßen gutem Wind. Weiter unten, vor den Schnellen und dahinter bis etwa Bärenberg, müssen selbst Otter auf günstige Winde warten. Und selbst dann geht die Fahrt sehr langsam. Die Strecke ist mühsam. Und die Schnellen? Nein, niemand segelt Stromschnellen hinauf. Es gibt dort ein System aus Ketten und Flaschenzügen, die in die Felswand eingelassen sind. Die Schiffe werden unten verankert und dann hinaufgezogen. Dauert ein paar Tage: das Ziehen, das Umhängen der Ketten, und zum Schluß muß der ganze Apparat wieder in den Originalzustand versetzt werden, damit der Nächste ihn benutzen kann. Die Schnellen sind in über hundert Abschnitte unterteilt, jeder mit seinem eigenen Kettensystem. Die gesamten Schnellen sind zehn Kilometer lang; Ketten dieser Länge wären viel zu schwer, daher die Unterteilung."

"Die Schiffe werden geschleppt?"

"Hm-hm! Je leichter ein Schiff ist, um so einfacher ist das. Aber es gibt trotzdem viele Otter, die die Strecke fahren."

"Khiray hat nichts davon erzählt."

"Er ist die Strecke früher mit uns gefahren, nicht wahr? Ja, sicher, er kennt die Prozedur. Wahrscheinlich hat er nur deshalb nichts davon gesagt, weil wir flußabwärts fahren."

"Es hätte mich schon interessiert." Sie ärgerte sich und schalt sich gleichzeitig einen Narren dafür.

"Der Fuchs hat andere Dinge im Kopf. Er ist euer Anführer, er trägt die Verantwortung für euch alle. Das ist nicht leicht. Siehst du, darum haben wir Otter so selten richtige Führer. Wir mögen das Gefühl nicht, wenn alle auf uns starren und Entscheidungen erwarten. Manchmal kommen Fellige ums Leben, und wir tragen ihre Gesichter dann mit uns herum." Fryyk wandte sich ab. "Ich mache eine Runde ums Schiff, schaue nach dem Rechten. Kommst du mit?"

Saljin nickte. Der Otter konnte ihr einiges über die Flußfahrt erzählen. Vielleicht fand sie irgendwann Gelegenheit, dieses Wissen nutzbringend anzuwenden. Khiray konnte sie jetzt ohnehin nicht helfen. Fryyk hatte recht: der Fuchs hatte andere Dinge im Kopf.

Zum Beispiel wie er sein Land retten konnte.

* * *

"Wir erreichen die Schnellen in der Dämmerung morgen früh", erklä rte Khiray. Saljin und er standen in der Steuerkabine. Die letzten Stunden des Tages waren geruhsam verlaufen - weder Dämonen noch Schiffbruch hatten sie bedroht. Es hätte eine perfekte, angenehme Fahrt sein können, wenn man die Ereignisse der letzten Tage einfach vergaß. Selbst das Wetter war gut, die wenigen Wolken waren vorbeigezogen und hatten ihren Regen in die höheren Regionen getragen. "Ich habe Delley gesagt, daß er Kinnih die Maschinen überlassen soll. Wir fahren nur mit halber Kraft, schließlich wollen wir nicht im Dunkeln in die Schnellen vorstoßen. Und morgen müssen wir alle frisch sein." Er schüttelte sich. "Es wird nicht leicht. Zehn Kilometer durch das Chaos... kein langer Weg, aber ein harter."

"Dorn würde dir sicher beipflichten."

Khiray verzog die Schnauze. "Erinnere mich nicht daran. Wir haben es noch nicht hinter uns. - Ich gehe ins Bett. Pakkaht und Fryyk werden sich am Ruder abwechseln. Saljin... ich meine..." Er lächelte scheu. "Möchtest du..."

Die Fuchstaurin lächelte zurück. "Ich komme mit dir. Es ist nicht gut, in einer solchen Nacht allein zu sein."

"Delley hat immer gesagt, vor einem großen Ereignis sollte man sich in Enthaltsamkeit üben. Um seine Kräfte zu sammeln."

"Würde es dich überraschen, wenn mein Volk von einer solchen Regel noch nie etwas gehört hätte?"

Khiray berührte ihre Schulter und ließ seine Finger sanft abwärts wandern. "Nein. Nein, das würde es nicht." Er rief Pakkaht von seinem Ausguck herab. Ein Otter nahm seinen Platz ein. Fryyk hatte sie Saljin vorgestellt, aber sie hatte Schwierigkeiten, die Wasser-Felligen auseinanderzuhalten. Sie waren alle so energiegeladen, so flink, so... flüchtig. Nicht einmal männliche und weibliche Otter konnte sie zuverlässig auseinanderhalten, obgleich sie keinerlei Kleidung trugen. Die Felligen des Armygan hatten kleinere Brüste als Fuchstauren, daran hatte sie sich inzwischen gewöhnt. Aber die Otter schienen in dieser Hinsicht völlig von den Göttern vergessen worden zu sein. Und auch sonst konnte Saljin keine sichtbaren Geschlechtsmerkmale erkennen - die kleinen Hinweise blieben unter dem Fell verborgen. Wahrscheinlich war das für das Leben im Wasser praktischer, aber Saljin fand es irgendwie reizlos. Wie stellten sich Otter einander vor? "Hallo, ich bin Fryyk, ich bin ein Mann!" Wohl kaum. Entweder waren Otter empfänglicher für die kleinen Unterschiede, oder der Geruch spielte eine Rolle. Saljin konnte nichts wahrnehmen - vier der zehn Otter waren weiblich, aber sie rochen in dieser Hinsicht alle gleich.

Einzig Fryyk vermochte sie mit Sicherheit von seinen Leuten unterscheiden. Seine Haltung war die eines Anführers. Die Otter hörten auf ihn. Er trug die Verantwortung für sie, und dies lastete sichtbar auf seinen Schultern.

Wahrscheinlich waren geruchliche Signale innerhalb einer Rasse stärker ausgeprägt. Sie konnte durchaus am Geruch unterscheiden, ob sie einen männlichen oder weiblichen Fuchstauren vor sich hatte, und auch bei Khiray fiel ihr diese Identifizierung nicht schwer. Sarmeen strahlte noch einen Teil des besonderen Geruchs aus, während die anderen es nicht taten.

Es mochte einen Teil der sexuellen Anziehung ausmachen, daß die Felligen "richtig" rochen. Men'schin hatten definitiv den falschen Geruch; sie wirkten auf Saljin eher abstoßend mit ihrer Mischung aus Schweiß und Eisen und seltsamen Gewürzen. Man konnte sich wahrscheinlich daran gewöhnen, wie die Geschichten zeigten - so, wie man sich an den Geruch der Städte oder der Berge oder der Wälder gewöhnen konnte. Aber sie zog Khirays Geruch vor.

Warmes Fell, weicher Fuchs.

Sie liebten sich mit der Wildheit und Energie, die allein die Möglichkeit des nahen Todes mit sich brachte. Das letzte Liebesspiel vor der Schlacht: zu Saljins Lebzeiten hatte es keinen wirklich großen Konflikt gegeben, aber die häufig abgehaltenen, rauhen Kampfspiele zwischen den Stämmen gaben einen Vorgeschmack darauf. Blut, das in den Adern pulsiert, in den Schläfen pocht und in den Ohren rauscht. Gerüche schienen schärfer, Farben greller. Und wenn Stahl auf Stahl klang - und es war ein unverwechselbares Geräusch, selbst wenn die Waffen stumpf waren - sangen die Herzen der Krieger. Die Nacht davor war stets etwas Besonderes. Und nichts anderes war diese ganze Fahrt, nichts anderes als das Warten auf die Schlacht. Das Scharmützel gegen Hhrugha khi Dmurag war nur ein Vorgeschmack gewesen.

Khiray gab sich große Mühe, ihr zu gefallen. Er hatte sanfte, aber kräftige Hände und ein glänzendes, dichtes Fell. Er gefiel Saljin, obwohl er immer ein wenig fremd wirken würde: er hatte zwei Beine zuwenig. Es war, als fehlte ein Stück seines Körpers. Dafür waren seine Hinterbeine - seine einzigen Beine - länger als normal, und sein ganzer Unterleib war so geformt, daß der Oberkörper trotz der fehlenden Vorderbeine aufrecht stand. Auf diese Weise ähnelte er den Men'schin, so weit er auch sonst von diesen entfernt war. Wenn er ihren Körper umarmte, waren da Hände, wo sie Pfoten erwartete, und es war kein Armpaar übrig, um sie zu berühren. Wenn sie die Vorderpfoten um ihn schlang, spürte sie einen flachen Oberkörper statt eines runden Rumpfes. Im Stehen überragte Khiray sie um ein gutes Stück, doch wenn sie ausgestreckt nebeneinander lagen, war sie größer (und schwerer sowieso).

Sie rollte sich auf den Rücken. "Ist das deine Tradition?" Natürlich wollte sie ihn nur reizen. Die Felligen waren wie die Fuchstauren nicht auf eine Stellung bei der Liebe festgelegt. Variation würzte das Spiel.

Der Fuchs warf sich auf sie und knurrte spielerisch. Sie legte alle vier Beine um ihn und drückte zu. Die Hinterbeine waren nicht wirklich für so etwas geschaffen, aber mit den Vorderbeinen konnte sie beträchtliche Kraft ausüben. Khiray jaulte auf und ächzte, als ihm die Luft wegblieb. Saljin ließ ein wenig locker und nahm seinen Kopf in die Hände. "Ist mein Krieger etwa schon besiegt?"

Khiray bewegte sich auf ihr. Sie konnte sein hartes Glied an ihrem weichen Unterkörper-Bauch spüren. "Besiegt? Niemals! Diese Festung wird fallen, und wenn ich sie bis zum Morgengrauen belagern muß!" Er leckte ihre Flanken und grinste sie mit weißen Zähnen an.

"Vielleicht sollte dieser Krieger seinen Angriff an einer tiefergelegenen Stelle ansetzen", überlegte Saljin laut. Dieser Krieger tat wie geheißen, und das Duell ging in eine neue Runde.

Saljin spürte, wie die dunklen Wolken in Khirays Geist sich verzogen. Sie beneidete ihn fast darum, an etwas vollkommen anderes denken zu können. Dazu war sie selbst nicht in der Lage. Den Konflikt in ihr konnte sie nicht ganz verdrängen, nicht einmal in diesem Moment.

Zärtlichkeit und Lust und Wildheit. Ob sie sich nun völlig entspannt Khiray hingab oder seinen Körper mit Klauen und Zähnen bearbeitete, der letzte Schatten auf ihrer Seele ließ sich nie ganz vertreiben. Sie mußte damit leben.

Sie fühlte, wie Khiray in sie eindrang; der seltsame Knoten an der Basis seines Gliedes glitt zwischen ihre Schenkel und begann sofort anzuschwellen. Eine weitere Seltsamkeit, an die sie nicht gewöhnt war. Falls sie wirklich mit Khiray zusammenblieb, würde sie noch viele weitere Nächte brauchen, ehe sein Körper ihr wirklich vertraut war. Sie hoffte, daß ihnen die Zeit blieb, sich so nahe zu kommen, ohne daß das Schicksal zwischen sie trat.

Wenn sie überlebten. Wenn sie die Antworten fanden.

Sie nahm seinen Kopf zwischen die Vorderpfoten und strich sanft mit den Händen über seine heißen, weichpelzigen Ohren.

"Götter, Saljin..."

"Sch!" Sie blickte ihm in die Augen und versuchte darin zu lesen. Er würde sie nicht im Stich lassen. Aber sie konnte ihm auch nicht einfach alles erklären. "Mach einfach weiter." So verletzlich. So jung. So jung wie sie selbst, und mit derselben Art von Narben. Saljin konnte ihr Spiegelbild in seinen Augen sehen, in mehr als einer Hinsicht.

Sie hatten nur sich selbst. Und wenn die Welt in Flammen versank... Nur sie, und die Ehre, die ihnen dann noch blieb. Götter. Dek. Mikhoi. Aryfaa. Halann. Dokmaris. Sie alle hatten bereits ihr Leben verloren.

"Ist alles in Ordnung?" Khirays Stimme klang besorgt. "Bin ich zu... tue ich dir weh?" Sie merkte, daß Tränen über ihre Schnauze liefen. Ja, ja, natürlich tat er ihr weh... seine Weichheit und seine Hingabe, seine Stärke und seine Entschlossenheit. Seine ganze Existenz. Die Tatsache, daß er da war, daß er sich um sie bemühte. Natürlich tat er ihr weh. Aber das hatte er nicht gemeint.

"Nein", sagte sie. "Es ist gut. Alles ist gut." Er konnte sie körperlich nicht verletzen. Sie war keine zarte Jungfer bei ihrem ersten Mal (Menschen schätzten den Status der Jungfräulichkeit angeblich sehr, wie sie gehört hatte, aber diese Vorstellung war so absurd, daß sie dieser Behauptung keinen Glauben schenkte). Und er war zwar nicht besonders zart gebaut, aber ganz sicher auch nicht behängt wie ein Zuchthengst. Obwohl dieser Knoten in voller Größe schon einen beträchtlichen Umfang hatte. Die Fuchstaurin konzentrierte sich darauf, ihn zu spüren. Ja. Eine Welle der Lust durchströmte sie. "Denk nicht daran. Nimm mich. Tu es einfach."

Kampf und Liebe, Lust und Schmerz, Trauer und Ekstase. Alles lag so nahe beieinander.

Ihre Körper und Schwänze umschlangen sich. Laß uns tanzen, das Blut spielt die Melodie. Wir leben jetzt, und das Morgen ist ohne Bedeutung.

Für einen Moment wünschte sie sich, daß er sie wirklich verletzen würde. Daß er ihr nicht mit Liebe, sondern Gewalt in seiner Lust begegnet wäre: sie wünschte sich, an den Ladebaum gekettet zu sein, die Hände gefesselt, die Augen verbunden, die Schnauze geknebelt - die Hinterbeine weit gespreizt an ein Holzscheit gebunden, hilflos. Sie wünschte sich, Khiray der Pirat - Khiray der Eroberer - Khiray der Grausame würde sich an ihrer Wehrlosigkeit weiden und sie dann besteigen und brutal vergewaltigen, mit einem Werkzeug wie ein gewaltiges geiles Tier. Sie wünschte sich Schmerzen, brennendes Feuer in ihrem Körper, sengende Pein. Sie hätte ihn dann hassen können, ihre Pflicht vergessen, sein Gold stehlen - ihn töten, zerschmettern, niederwerfen; seinen Schädel spalten und als Krieger, als Sieger heimkehren dürfen.

Aber das war nicht seine Art. Er hätte sie nie auf diese Weise verletzt, verhöhnt, erniedrigt. Er wäre eher gestorben. Und genausowenig konnte sie ihn verletzen oder hassen. "Oh, Khiray!" Würde er es je verstehen? Ja. Ja, er mußte einfach. Sie hatte seine Augen gesehen.

Der Krieger in ihr bäumte sich auf, aber es war nicht seine Zeit. Dieser Tanz brachte nicht den Tod, sondern hielt ihn fern. Das einzige Feuer in ihren Adern war das Feuer der Lust. Die Schatten würden nicht vergehen, doch sie schwanden in diesen Flammen dahin. Heute. Hier. Nichts sonst zählt.

Ihre Pfoten fuhren rauh über Khirays Rücken und hielten ihn fest. Der Fuchs stöhnte. "Was...?" Sie verschloß seine Schnauze mit einer Hand, drückte seinen Kopf an ihren Bauch. Tanze weiter. Es ist keine Zeit für Worte.

Sie bog ihren Rücken unter den Wogen. Ihre Augen sahen, ohne zu sehen. Sie hörte Khiray überrascht winseln, dann spürte sie seinen heißen Strom tief in sich. Aber es hörte nicht auf, nicht so schnell. Sie drehte sich auf die Seite, stand plötzlich über Khiray, der völlig überrumpelt wurde. Tanze, tanze weiter, durch das Feuer hindurch. Sie preßte ihn mit den Pfoten auf das Bett, richtete sich auf und heulte langgezogen und laut.

Nur allmählich wich das mächtige Gefühl aus ihren Gliedern. Der schnelle Atem, das heftige Keuchen, das sie erst jetzt als ihr eigenes erkannte, beruhigte sich. Sie schüttelte sich von Kopf bis Schwanz - und Khiray, der sich natürlich nicht sofort von ihr lösen konnte, gleich mit - und ließ sich langsam auf ihrem Partner nieder. Saljin fühlte eine große Zärtlichkeit für Khiray. Behutsam kraulte sie das Fell auf seiner Brust.

"Oh, wow!" machte der Fuchs. "Welche Tradition ist das denn?" Er trug sie ohne sichtbare Mühe; so schwer war sie auch wieder nicht. Er sog Saljins Geruch mit offenkundigem Vergnügen ein und schlang seine Arme um sie.

Sie lächelte. Er würde den Weg finden, ganz von allein, wenn sie ihm vertraute. Und das Vertrauen fiel ihr schon etwas leichter. Ein kleines Stück nur. Aber es war ein Anfang.

* * *

Sie erwachte vor der Dämmerung. Der Schlaf floh ganz plötzlich und verweigerte ihr die sanfte Ruhe. Etwas war in der Nähe, etwas Vertrautes und gleichzeitig Fremdes. Nicht die Dämonen, das hätte sie gewußt.

Langsam stand sie auf. Khiray regte sich im Schlaf, als er ihre Wärme nicht länger an seinem Fell spürte. Sie streichelte sanft seinen Rücken bis hinab zum Schwanzansatz. Sein Schwanz zuckte im Schlaf. Dann zog sie die Decke über ihn und sah sich um.

Nichts Ungewöhnliches. Keine Monstren lauerten hier, nicht daß sie das erwartet hätte. Aber das Gefühl der Anwesenheit blieb. Es war draußen, nicht allzuweit entfernt, und es kam näher.

Sie griff kurz zur Bürste und fuhr eilig, aber gründlich über ihr Fell, um die getrockneten Spuren nächtlicher Leidenschaft zu entfernen. Sie hatte zwar keinen Zweifel daran, daß die ganze Mannschaft ihnen gelauscht hatte (nun, Pallys vielleicht nicht, aber die Otter ganz sicher, und wenn Kinnih nicht zumindest ein bißchen neugierig gewesen wäre, hätte sie sich Sorgen um ihn machen müssen), aber das war kein Grund, ungepflegt an Deck zu gehen. Der Geruch sprach ja schon eine ausreichend deutliche Sprache. Zeit für ein Bad wäre es gewesen. Aber diesen Luxus konnte sie sich nicht gönnen.

An Deck war alles ruhig. Der Fluß war sehr schnell; sie mußten sich in der Nähe der Schnellen befinden. Rechts und links ragten Felswände auf und versperrten die Sicht auf Monde und Sterne, doch der Fels war heller Kalkstein und ließ zumindest etwas Licht auf den Grund der Schlucht dringen.

Saljin sah die Felsen hinauf. Nahe, ganz nahe...

Trolle. Hoch oben auf den Klippen zeichneten sich unregelmäßige Umrisse ab, lose Felsen, zerklüftete Brocken - wenn man es nicht besser wußte.

Die Fuchstaurin erhob ihre Stimme. Die Worte der Trollsprache waren schwierig für ihre Kehle, aber sie hatte lange Übung darin. Das harte Klicken, das rauhe Grollen, die kurzen, wispernden Vokale hallten vom Fels wider. Die Trolle gaben keine Antwort. Aber sie bewegten sich, beinahe unmerklich. Das hätten sie nicht getan, wenn sie Feindseligkeiten erwarteten oder sich ertappt fühlten.

Dann waren sie vorüber, zurückgeblieben. Saljin rief ihnen noch etwas nach, aber sie war sich nicht sicher, ob sie es hören würden.

Da waren noch mehr. Diesmal auf der anderen Seite. Drei, vielleicht vier - nein, der vierte war tatsächlich ein Felsen. Was taten die Trolle hier? Beobachteten sie die Schiffe, die die Schnellen passierten? War das ihr privates Vergnügen? Oder hatten sie etwas vor?

Sie setzte ihre begonnene, hastige Ansprache fort. Mehr, noch mehr... eine Zweiergruppe weiter flußab, dann ein einzelner Troll auf halber Höhe der Felswand, wie eine überhängende Felsnase an den Stein genagelt. Sie hatte noch nie so viele Trolle auf einmal gesehen! War das hier... war hier in der Nähe eine der sagenhaften Trollstädte? Saljin wünschte sich, anhalten und mit den Trollen sprechen zu können. Ihre Stimme wurde heiser vom Rufen. Gab es in der Trollsprache ein Wort für Dämonen?

"Sjrrr - sorrr - jrrraaaa!" Die Antwort kam unverhofft, kaum zu unterscheiden von knirschendem Fels, und leise über dem gewaltigen Rauschen des Flusses. Aber sie ließ Saljin verstummen. Ihr Name. So hatten die Trolle in den Bergen, weit von hier, sie genannt. Woher kannten diese Trolle sie?

Waren sie um ihretwillen gekommen?

Dann war die letzte Trollgruppe vorüber; die Steine am Rand der Klippen waren nichts anderes als Steine. Saljin schüttelte den Kopf. Das war seltsam, sehr seltsam. Hatten die Trolle aus den verschiedenen Bergzügen untereinander Kontakt? War ihr Name an die hiesigen Trolle weitergegeben worden? Aber warum dann dieser Aufmarsch, wie eine Parade, wie...

Wie eine Begrüßung.

Sie hatten gewußt, daß sie kommen würde - durch Beobachter oder Kundschafter, oder vielleicht durch Magie. Sie hießen sie willkommen in diesem Teil des Trollreiches.

Unwillkürlich mußte sie lächeln. Schroffe Gesellen vom Aussehen her, waren die Trolle doch respektvoll gegenüber dem zerbrechlichen Fleisch-Leben und stets freundlich.

Pakkaht bog um die Ecke des Kabinenaufbaus. "Saljin! Ist etwas passiert?"

Die Fuchstaurin wurde gewahr, daß die Laute der Trollsprache für die Besatzung sehr merkwürdig klingen mußten. "Nein, nein. Ich habe mir nur die Pfote verknickt."

Pakkaht nickte, offensichtlich nicht überzeugt. "Ihr habt merkwürdige Flüche in eurer Sprache."

Saljin ignorierte seine Zweifel. Der Hirsch hatte sein eigenes Geheimnis, das er nicht einmal mit Khiray teilte - obwohl Khiray etwas zu ahnen schien. Warum sollte sie sich ihm offenbaren? Die Trolle waren nicht seine Sache. "Wann sind wir an den Schnellen?"

"Dauert nicht mehr lange. Kinnih weckt Khiray. Delley ist schon auf und zieht ein paar Schrauben nach. Willst du im Steuerhaus fahren?" Was wohl heißen sollte: Würdest du bitte den erfahrenen Flußleuten nicht im Weg herumstehen? Aber er hatte recht. Sie nickte gehorsam.

Ein silberner Schatten sprang neben dem Schiff in die Höhe. Saljin fuhr zusammen, aber Pakkaht zeigte keine Furcht. "Was...?" Ein zweites Mal sprang das fremde Etwas, und diesmal erhaschte die Fuchstaurin einen besseren Blick. Es war ein großer Fisch - nein, die Schwanzflosse stand waagerecht statt senkrecht, und die Flossen waren fleischiger als bei einem richtigen Fisch. Der schlanke Körper war nicht schuppig, sondern von einer silbern glänzenden, glatten Haut überzogen.

Dann sprang ein zweiter, ein dritter. Saljin eilte an die Reling. Selbst in dem wenigen Sternen- und Mondenschein, der den Fluß hier erreichte, zeichneten sich die Körper der Tiere deutlich ab. Eine ganze Schule von zehn oder zwölf "Fischen" begleitete das Schiff. Zwei bis drei Meter waren sie lang, und sie bewegten sich so schnell, daß sie das Fahrzeug hätten umrunden können, wenn sie wollten. Sie waren so klug, sich von den Schaufelrädern fernzuhalten, und ließen sich mit der Bugwelle tragen.

"Ansiccs", sagte Pakkaht ehrfürchtig. "Flußdelphine. Sie sind selten. Ihr Erscheinen gilt als gutes Omen. Alle Völker des Armygan respektieren sie."

Einer der Ansiccs schwamm an der Oberfläche dahin. Er ließ ein albernes Keckern hören und spritzte aus einem Loch an seiner Oberseite Wasser in die Höhe.

"Sie spielen", sagte Saljin staunend. "Sie spielen mit dem Schiff."

"Es trägt ihren Namen." Der Hirsch nickte.

Die Fuchstaurin bezweifelte, daß die Ansiccs das wußten. Sie genoß den Anblick der dahinschnellenden Leiber, bis plötzlich, wie auf ein Signal hin, die ganze Schule abdrehte und verschwand.

Die Felswände rückten zur Seite, formten einen See, in dem die Strömung noch vorhanden war, jedoch nicht mehr besonders stark am Schiff riß.

"Schnellen voraus!" Khirays Stimme erklang aus dem Steuerhaus. Während sie den Ansiccs zugesehen hatte, hatte der Fuchs seinen Platz eingenommen. Die Mannschaft war wach und über das Schiff verteilt. Auch Pakkaht eilte davon.

Ketten. Da waren Ketten und Räder, ein Mechanismus, der in die Felswand eingelassen war. Die Zugmechanik der Otter! Hier endete sie; in diesem kleinen See setzten die Otter die Segel, nachdem sie die Schnellen flußauf überwunden hatten.

Und dort waren die Schnellen selbst. Die Felswände wanderten wieder aufeinander zu und wurden erneut zur Schlucht - ein dunkles Loch, aus dem das Echo des tosenden Wassers drang. Senkrechter Fels umgab die Schnellen. Der Otterpfad schien dort kaum breit genug für das Schiff zu sein, aber dieser Eindruck mußte täuschen. Khiray mußte dort manövrieren können.

Der Eingang der Schlucht kam zu schnell näher. Saljin wollte die Treppen hinauf eilen, doch der Anblick des schwarzen Spalts bannte ihre Pfoten an Deck. Ein Höllenloch.

Das Donnern nahm zu.

Dorn war hier ertrunken. Ein erfahrener Flußfahrer.

Dann erreichten sie die Pforte der Schnellen, und sie hatte keine Zeit mehr, sich Sorgen zu machen. Das Schiff bockte unter der Strömung, die Planken knirschten, und dann stürzte die 'Silberne Ansicc' in das weiße, aufgewühlte Wasser. Die Schnellen brüllten dem Fahrzeug ihr Willkommen entgegen.

Die Ansiccs waren klug genug gewesen, kehrtzumachen.


Ende von Kapitel Vierzehn